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V. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.1999 - 31.03.2001

1. Entwicklung des Datenschutzes

Was die Entwicklung des Datenschutzes und seine Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger des Landes anbetrifft, so kann nahtlos an die Darstellungen im IV. Tätigkeitsbericht angeknüpft werden. Die Tendenz zur „Grenzüberschreitung” in fast jeder Hinsicht setzt sich fort. Die Entwicklung der technischen Möglichkeiten vollzieht sich in immer kürzeren Zeitabständen.

Was dem Menschen bei der Vielgestaltigkeit seines täglichen Lebens helfen kann, ihm oft auch nur als Hilfe „verkauft” wird, kann sich ebenso schnell gegen ihn wenden. Das alte Handy, der alte PC ist tot, schon stehen ganz neue technische Angebote vor der Tür. Im Privat- wie im Berufsleben kann derjenige, der sich gerne mit Neuem umgibt, froh sein, wenn er noch die notwendigsten Bedienungsfunktionen erkennt, die tatsächlichen Abläufe und Auswirkungen der Technik überschauen selbst die Fachleute kaum noch. Die neue WAP-Handy-Generation führt elektronisch den Kalender des Besitzers, ermöglicht ihm aus weiter Ferne das Schließen der heimischen Rollos oder das Einschalten der Waschmaschine, aber es zeichnet auch alles auf, was er tut, wo er sich bewegt, und es überträgt auch ohne sein Wissen - indem es sich von außen aktivieren läßt - was er wo gerade mit wem bespricht.

Ein Click über den heimischen PC verbindet den Surfer mit allen Teilen der Welt und versorgt ihn gegen Geld mit allerlei nützlichen und unnützen Informationen. Aber mit dem gleichen Click in die weltweite Vernetzung verrät der Benutzer seine Gedanken, seine Gefühle und seine persönliche Lebensgestaltung auch an Hunderttausende „stiller Nutzer”, die ihn ohne sein Wissen beobachten, analysieren und mißbrauchen können.

Nicht nur die moderne Technik fesselt und umgarnt den Menschen mehr als er ahnt, das Recht in seinem vertrauten Umfeld kann ihn dagegen zunehmend immer weniger schützen. Die Tatsache, daß die EU-Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995 erst im Jahre 2001 in Deutschland im Bund und in den meisten Ländern in unser nationales Recht umgesetzt wird, zeigt geradezu exemplarisch, wie weit das Recht schon hinter der Wirklichkeit zurückgeblieben ist.

Auch der Staat nutzt die moderne Datenverarbeitung in doppelter Hinsicht. Unter dem Schlagwort „e-government” verspricht er dem Bürger nützliche Informationen und schnellen Service, aber er nutzt dieselbe Technik auch gegen den Bürger. So werden heute in umfangreichen Programmen die Steuer- und Sozialdaten eines Bürger gegeneinander abgeglichen, und bei Bedarf kann der Staat mit - und häufig auch ohne - Wissen des Betroffenen weitere Informationen aus dritten (z.B. privaten) Quellen heranziehen und automatisiert auswerten. Mit ihrer Hilfe kann der Bürger schon heute in weiten Bereichen seines Lebens kontrolliert werden. Nicht nur wer telefoniert, Fax oder E-Mail versendet, kann erfaßt werden. Noch sind „englische Verhältnisse” bei der Überwachung öffentlich zugänglicher Wege und Plätze nicht erreicht, aber wer in der Bundesrepublik in einer größeren Stadt seine Wohnung verläßt, muß damit rechnen, im öffentlichen Straßenbereich, im Bus, in der U-Bahn ebenso wie in der Bank oder im Kaufhaus mit Videotechnik erfaßt und aufgezeichnet zu werden. Wer mit dem Auto über Land fährt, kann in den meisten Bundesländern heute ohne Angaben von Gründen und ohne besonderen Anlaß von der Polizei angehalten werden; dabei können Personalien gespeichert und mitgeführte Sachen und Gegenstände überprüft werden. Dem Bahnreisenden ergeht es nicht besser - in jedem Zug darf der Reisende heute überall ohne Anlaß vom Bundesgrenzschutz überprüft werden. Für den Flugreisenden gilt dies bekanntlich schon lange.

Das alles ist nicht nur lästig und für einen freien Staatsbürger im demokratischen Rechtsstaat auch unwürdig, sondern es kann im Zeitalter der schnellen Datenverarbeitung mit wenigen Schaltungen zu umfassenden Bewegungs- und Gestaltungsprofilen seitens des Staates genutzt werden. George Orwells Visionen sind fast erreicht. Die Mißbrauchsgefahren durch den Staat, aber auch durch privaten Informationsmißbrauch seiner Bediensteten wachsen angesichts dieser verfügbaren Datenfülle gefährlich an.

Keine guten Aussichten für den Datenschutz. Bürgerinnen und Bürgern ist zu empfehlen, den Schutz ihrer Grundrechte mit mehr Eigenverantwortung anzugehen und genau zu überlegen, wem sie was von sich preisgeben. Auch die Datenschutzbeauftragten in Bund und Ländern können ihnen nur noch begrenzt helfen.