VII. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.2003 - 31.03.2005
18.8 Justizkommunikationsgesetz
Das kurz vor Ende des Berichtszeitraums vom Bundestag am 22. März 2005 beschlossene „Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz)” - BGBl. I, S. 837 - soll für alle Gerichtszweige mit Ausnahme der Strafgerichtsbarkeit die rechtliche Grundlage zur elektronischen Aktenführung einschließlich des dazu notwendigen elektronischen Postverkehrs schaffen.
Der Landesbeauftragte hatte im Rahmen einer Stellungnahme gegenüber dem Ministerium der Justiz insbesondere auf folgendes hingewiesen:
Auch wenn grundsätzlich Zweifel an der dauerhaften Überprüfbarkeit der Zertifikate selbst bei qualifizierten elektronischen Signaturen bleiben mögen, sei der für alle Verfahrensordnungen vorgesehene Ersatz der Schriftform durch die qualifizierte anstelle einer weniger sicheren Signaturform zu begrüßen. Die qualifizierte elektronische Signatur bilde die Grundvoraussetzung, um die Anforderungen an die technischen und organisatorischen Maßnahmen gem. § 6 DSG-LSA, insbesondere die Integrität und die Authentizität personenbezogener Daten bei der automatisierten Verarbeitung (§ 6 Abs. 2 Nrn. 2 und 4 DSG-LSA) zu gewährleisten.
Der Landesbeauftragte erläuterte, dass es sowohl aus verwaltungspraktischen Gründen als auch zur Steigerung der Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern sinnvoll sein könne, keine Differenzierungen bei den Formen der Signatur vorzunehmen, soweit mit den jeweils signierten Schreiben ein Außenkontakt verbunden wäre.
Völlig zurecht wurde in der Begründung des Gesetzentwurfs wie auch zuletzt durch die Bundesjustizministerin in ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag am 25. Februar 2005 darauf hingewiesen, dass bei der gesetzlichen Zulassung und näheren Ausgestaltung der elektronischen Aktenführung Anforderungen an die Zuverlässigkeit der elektronisch geführten Akte besonderer Beachtung bedürfen. Diese Forderung ist um so leichter und ohne großen Aufwand zu erfüllen, wenn vermieden würde, durch Verwendung unterschiedlicher Grade an Signaturqualität die Gefahr zu erzeugen, dass Justizbeschäftigte einen qualifiziert zu signierenden Vorgang versehentlich in einfacher Form signieren.
Nicht qualifiziert zu zeichnen wäre z.B. ein Mahnbescheid, da hier in der „Papierwelt” auf eine eigenhändige Unterschrift verzichtet werden durfte. Da aber auch eine qualifizierte Signatur verwendet werden dürfte (vgl. § 692 Abs. 2 ZPO-neu), wird zunächst die Beobachtung der Praxis ausreichen, um datenschutzrechtliche Standards zu sichern. Bei Bedarf wird der Landesbeauftragte auf Nachbesserung drängen.
Gleiches gilt bezüglich der Handhabung kombinierter elektronischer Dokumente. Es wird sich zeigen, wie künftig beispielsweise mit eingebetteten Videostreams bzw. Bilddateien verfahren wird, ob z.B. dadurch rechtliche Probleme entstehen, dass ein im Bereich der Rechtspflege erstelltes Textdokument mit einer aus dem Polizei- bzw. Verwaltungsbereich stammenden Videodatei kombiniert und anschließend digital signiert wird, ohne dass die Videodatei die gleiche rechtliche Qualität wie das erstellte Textdokument hat, jedoch die Gesamtdatei die Verbindlichkeit eines elektronischen qualifiziert signierten Dokuments erhält. Ähnliches wäre bezüglich Sachverständigengutachten denkbar. Hinzu kommt, dass der das Gutachten signierende Sachverständige nicht zwangsläufig selbst die evtl. Bildaufnahmen gefertigt haben muss.
Im Gesetz wurden zahlreiche Bestimmungen getroffenen, welche die Veröffentlichung von Daten Betroffener im Internet ermöglichen. Ob es im Einzelfall unabdingbar ist, die entsprechenden Daten tatsächlich einer internationalen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wird immerhin der Entscheidung des Richters unterworfen.
Wie vom Landesbeauftragten wiederholt betont, ist eine Veröffentlichung im Internet datenschutzrechtlich generell kritisch zu bewerten, da insbesondere das Kopieren von Daten und deren Weiterverbreitung nicht unterbunden werden kann.
Löschungsregelungen helfen nach einer Veröffentlichung nicht weiter, denn dann sind diese Daten "in der Welt". Da die vorgesehenen Veröffentlichungen nicht immer im vermutlichen Interesse des Betroffenen sein dürfte, erscheint es geboten, dass der Gesetzgeber die tatsächliche Entwicklung im Auge behält. Eine Evaluationsklausel wäre sinnvoll gewesen, ihr Fehlen hindert die Überprüfung indessen nicht.
Ursprünglich wollte der Bundesgesetzgeber der seit langem und wiederholt vorgetragenen Forderung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder nach einer umfassenden gesetzlichen Regelung zur Justizaktenaufbewahrung im Rahmen des Justizkommunikationsgesetzes nachkommen. Der Landesbeauftragte begrüßte den Entwurf im Grundsatz. Da er jedoch einige notwendige Vorgaben an die Verordnungsgeber vermisste, bat er das Ministerium der Justiz im Rahmen seiner Zuständigkeit darauf hinzuwirken, dass u.a. eine differenzierte Normierung zu Aufbewahrungs-, Prüffristen etc. sichergestellt wird. Auch müsse eine Sperrungsregelung vorgesehen werden, soweit Löschungen wegen besonderer tatsächlicher Konstellationen nicht möglich sein sollten; die hinsichtlich des Löschverzichts akzeptablen Gründe sollten rechtlich fixiert werden.
Allerdings kam es nicht zu einer in Bund und Ländern gültigen Normierung. Es wurde ausschließlich eine Regelung für die Bundesgerichte und den Generalbundesanwalt getroffen, da der Bundestag - in Anschluss an das Verdikt des Bundesverfassungsgerichts zur Regelungsbefugnis des Bundes in Sachen Studiengebühren - seine Gesetzgebungskompetenz für ein einheitliches Aktenaufbewahrungsgesetz nicht mehr zweifelsfrei als gegeben ansah.
Nachdem für die Bundesgerichte und den Generalbundesanwalt nunmehr das Schriftgutaufbewahrungsgesetz geschaffen wurde, hofft der Landesbeauftragte, dass im Land Sachsen-Anhalt umgehend eine entsprechende gesetzliche Grundlage zur Justizaktenaufbewahrung initiiert wird.