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VII. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.2003 - 31.03.2005

18.9 Dienstanweisungen von Gerichten zum Datenschutz

Der Landesbeauftragte hatte auch im Berichtszeitraum die Gelegenheit wahrgenommen, durch Informationsbesuche bei den Gerichten bzw. im Rahmen von Beratungen an der Erstellung von Dienstanweisungen zum datenschutzgerechten Umgang mit personenbezogenen Daten bei den Gerichten mitzuwirken.
Es lagen bereits Verfügungsentwürfe vor, welche die gesetzlichen Grundlagen differenziert berücksichtigten, so dass sich die konstruktiven Gespräche im Wesentlichen auf technisch-organisatorische Fragestellungen konzentrieren konnten.
Problematisiert wurde z.B. die Speicherung von Entscheidungen vor und nach der Verkündung gerichtlicher Entscheidungen.
Der Landesbeauftragte hat darauf hingewiesen, dass dabei, soweit Entwürfe vor Verkündung von Entscheidungen gespeichert sind, durch unberechtigte Nutzung - wegen der möglichen Nachvollziehbarkeit des Entscheidungsprozesses - auch die richterliche Unabhängigkeit berührt sein kann.
Der Zugriff auf vorbereitende Überlegungen durch einen Vertreter setzt die Einwilligung des vertretenen Richters voraus.
Nach Verkündung von Entscheidungen ist es nach gesetzlich geregelten Zugangsbefugnissen in der Regel Verfahrensbeteiligten und staatlichen Institutionen gestattet, die jeweilige Entscheidung - gleich ob in Akten- oder elektronischer Form gespeichert - einzusehen. Die Dokumentation/ Speicherung für diese Zwecke ist notwendig.
Der Landesbeauftragte hält es jedoch für rechtlich fraglich, wenn daneben nicht anonymisierte Entscheidungen in Einzelrichter-, Kammer- oder Senatssammlungen (langfristig bzw. gar auf Dauer) aufbewahrt werden. Eine gesonderte Rechtsvorschrift, die gestattet, eine weitere personifizierbare Datensammlung dieser Art einzurichten und zu nutzen, gibt es weder in den Verfahrensordnungen noch dem Gerichtsverfassungsgesetz.
Das allgemeine Datenschutzrecht erlaubt die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten, wenn es zur Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Stelle erforderlich ist und die Nutzung für jene Zwecke erfolgt, für welche die Daten erhoben worden waren. Diese in allen Datenschutzgesetzen zu findende Regelung spiegelt das im Grundrecht nach Art. 6 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt fundierte Verbot der Vorratsdatenhaltung sowie das Gebot der Zweckbindung unmittelbar wider.
Da gerichtliche Entscheidungen immer im Einzelfall ergehen, ist zunächst kein rechtlicher Grund ersichtlich, warum Entscheidungen, respektive personenbezogene Daten, aus anderen Verfahren längerfristig - und zusätzlich zur Aufbewahrung beim jeweiligen Verfahrensvorgang - gespeichert werden sollten. Dem verständlichen Interesse an Präzedenzfällen kann auch mit einer anonymisierten und nach sachlichen Aspekten differenzierten Sammlung (JURIS) genügt werden.
Sinn der Aufbewahrung der Originalentscheidungen in den Geschäftsstellen bzw. Archiven - und damit datenschutzrechtlich gesprochen, der Zweck - ist jedenfalls nicht die Rechtsfindung in einem mit dem ausgeurteilten Verfahren nicht zusammenhängenden neuen Verfahren.
Auch der Umstand, dass es in Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz notwendig erscheinen kann, die Einlassungen einzelner Betroffener in unterschiedlichen Verfahren zum gleichen Sachverhalt auf Deckungsgleichheit zu prüfen, kann zumindest nicht zu einer dauernden Speicherung der nicht anonymisierten Entscheidungen an mehreren Stellen führen. Denn auch für diesen Überprüfungszweck steht der Originalvorgang grundsätzlich zur Verfügung.

Da jedoch in den vorgelegten Datenschutzbestimmungen, wenn auch mit unterschiedlicher Formulierung festgelegt wurde, dass Entscheidungen bzw. deren Entwürfe nur zu dienstlichen Zwecken aufbewahrt werden dürfen und sich die Begrifflichkeit dienstlicher Zweck und Zweckbindung semantisch entsprechen dürften, bestand kein weiterer Handlungsbedarf. Darüber hinaus werden die Entscheidungen, welche Unterlagen wann und zu welchem Zweck benötigt werden, im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens getroffen, welches nicht der Kontrolle des Landesbeauftragten unterliegt. Davon, dass die Richterschaft dabei ihre materiellrechtliche Bindung auch an das Grundrecht auf Datenschutz beachtet, geht der Landesbeauftragte aus.