Menu
menu

VII. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.2003 - 31.03.2005

23.2 EU-Initiative zur Vorratsdatenspeicherung

Als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. März 2004 in Madrid legten die EU-Mitgliedsstaaten Frankreich, Irland, Schweden und Großbritannien am 28. April 2004 den „Entwurf für einen Rahmenbeschluss über die Vorratsspeicherung von Daten, die in Verbindung mit der Bereitstellung öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste verarbeitet und aufbewahrt werden, oder von Daten, die in öffentlichen Kommunikationsnetzen vorhanden sind, für Zwecke der Vorbeugung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten einschließlich Terrorismus” vor. Dieser Entwurf sah vor, dass für einen Zeitraum von mindestens 12 und höchstens 36 Monaten sämtliche Verkehrs- und Standortdaten, die bei der Nutzung von Telefon, SMS und Internet (World Wide Web, E-Mail, Voice-over-IP etc.) anfallen, von den TK- und Internetdiensteanbietern auf Vorrat gespeichert werden sollen.

In einer gemeinsamen Presseerklärung vom 25. Juni 2004 forderten die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder daraufhin von der Bundesregierung, den Entwurf dieses Rahmenbeschlusses abzulehnen, da bereits bei der Verabschiedung des neuen TKG aus gutem Grund auf die Einführung einer Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung verzichtet worden war. Eine flächendeckende Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten würde zudem die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und auf ungehinderte Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen verletzen, da die bei der Internetnutzung anfallenden Daten ebenfalls auf Vorrat gespeichert werden müssten. Darüber hinaus bestünden erhebliche Zweifel, ob der vorgeschlagene Rahmenbeschluss mit Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privatlebens und der Korrespondenz) vereinbar ist. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat betont, dass die Vertragsstaaten auch zur Bekämpfung des Terrorismus nicht jede Maßnahme beschließen dürfen, die sie für angemessen halten. Vielmehr muss es sich um Maßnahmen handeln, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen.
In seiner Sitzung vom 17. Februar 2005 beschloss der Bundestag entsprechend der Beschlussempfehlung der BT-Drs. 15/4597 seine bereits bei der Novellierung des TKG zum Ausdruck gebrachte Ablehnung einer Mindestspeicherfrist für Verkehrsdaten. Er forderte die Bundesregierung auf, vorbehaltlich der Darlegung entsprechender Rechtstatsachen, die die Notwendigkeit einer solchen Regelung auf europäischer Ebene darlegen und eine neue Behandlung dieser Thematik erfordern, einen etwaigen Beschluss in den Gremien der EU nicht mitzutragen.

Freilich scheinen sich weder die Bundesjustizministerin noch der Bundesinnenminister an diesen Bundestagsbeschluss gebunden zu fühlen, da sie gemeinsam mit den anderen Justiz- und Innenministern der EU weiterhin an der Einführung der umstrittenen Maßnahme festhalten und den Rahmenbeschluss spätestens im Juni 2005 verabschieden wollen. Ein Ende Februar 2005 erstellter überarbeiteter Entwurf wurde im Internet veröffentlicht. Darin ist nun eine Speicherfrist von 12 Monaten vorgesehen. Allerdings wird einzelnen Mitgliedsstaaten im Einklang mit nationalen Kriterien auch eine Speicherfrist von bis zu 36 Monaten anheim gestellt. Eine Speicherdauer von 6 Monaten wird als noch akzeptabel angesehen, wenn eine längere Frist national nicht durchsetzbar sein sollte.

Da nach einer bestimmten Übergangszeit europäisches in nationales Recht umgesetzt werden muss, würde so eine Speicherfrist von mindestens 6 Monaten eingeführt werden müssen, obwohl das Parlament dies eindeutig und mehrfach abgelehnt hat.

Das ganze Verfahren könnte sich jedoch noch verzögern, da Presseberichten zu entnehmen ist, dass zwischen dem EU-Rat auf der einen und der EU-Kommission sowie dem EU-Parlament auf der anderen Seite Uneinigkeit über die Zuständigkeit für das Gesetzgebungsverfahren besteht. Die EU-Kommission hat sich nun der Auffassung des Parlaments angeschlossen, wonach die Vorratsdatenspeicherung kein Instrument allein der dritten Säule der Union ist. Es wird empfohlen, die Maßnahme größtenteils im Rahmen der ersten Unionssäule zu behandeln.