VII. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.2003 - 31.03.2005
23.3 Private Nutzung von E-Mail und Internet am Arbeitsplatz
Bereits in seinem VI. Tätigkeitsbericht (Ziff. 23.2) hatte der Landesbeauftragte auf die datenschutzrechtlichen Probleme hingewiesen, die mit der privaten Nutzung von E-Mail und Internet am Arbeitsplatz verbunden sind. Da der öffentliche Arbeitgeber damit gegenüber seinen Mitarbeitern zum Diensteanbieter wird (ähnlich wie beim privaten Telefonieren), hat er die Vorschriften des TKG, insbesondere die §§ 88 bis 115, zu beachten und ist somit gem. § 88 Abs. 2 TKG zur Einhaltung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet.
Gemäß § 206 Abs. 1 StGB wird die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses durch Unternehmen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Allerdings war bisher unklar, ob es sich bei öffentlichen Stellen um solche Unternehmen handelt. Das OLG Karlsruhe hat in einem Beschluss vom 10. Januar 2005 (Az. 1 Ws 152/04 - MMR 2005, S. 178) klargestellt, dass auch eine Hochschule als Unternehmen zu betrachten ist, wenn sie nicht ausschließlich hoheitlich tätig wird. Das ist dann der Fall, wenn sie die EDV-Systeme ihren Mitarbeitern zum Austausch von E-Mails für private Zwecke zur Verfügung stellt.
Diese Rechtsauffassung ist auf alle öffentlichen Stellen mit hoheitlichen Aufgaben übertragbar und gilt auch hinsichtlich anderer Telekommunikationsdienste (Telefon, Telefax, Internetzugang), d.h., Mitarbeiter öffentlicher Stellen des Landes können sich strafbar machen, wenn sie im Rahmen der genehmigten privaten Nutzung von Telefon, Telefax, E-Mail und Internet das Fernmeldegeheimnis verletzen.
Der Landesbeauftragte hat in seinem letzten Tätigkeitsbericht die individuelle Einwilligung der Mitarbeiter in die Protokollierung ihrer privaten Nutzung als eine Lösungsmöglichkeit aufgezeigt. Der Beschluss des OLG Karlsruhe macht deutlich, dass die Problematik der Einhaltung des Fernmeldegeheimnisses im konkreten Einzelfall zu schwerwiegenden Konsequenzen für die öffentliche Stelle führen kann. Fraglich scheint, ob durch die Einwilligung des Betroffenen in Protokollierungen seiner privaten Nutzung alle Rechtsfragen bezüglich der Einhaltung des Fernmeldegeheimnisses zu lösen sind. Schließlich können an der Kommunikation Dritte beteiligt sein, die nicht eingewilligt haben, dass ihre durch das Fernmeldegeheimnis geschützte Kommunikation - auf die sie auch vertrauen - beim Empfänger protokolliert und unter Umständen sogar von anderen Personen zur Kenntnis genommen wird.
Gemäß § 206 Abs. 2 Ziff. 2 StGB wird ebenso bestraft, wer „... unbefugt eine einem solchen Unternehmen zur Übermittlung anvertraute Sendung unterdrückt ...”, d.h., auch das Filtern und Blocken virenverseuchter Mails oder von Spam-Mails könnte - wenn es sich um private E-Mails handelt - eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses und damit eine strafbare Handlung darstellen. Ob etwa durch § 109 Abs. 1 Nr. 2 TKG eine derartige Befugnis gegeben ist, ist fraglich, da hier nur von Maßnahmen zum Schutz gegen unerlaubte Zugriffe die Rede ist. Zwar ist es aus Gründen der Datensicherheit zwingend erforderlich, dass öffentliche Stellen geeignete Maßnahmen gegen Viren und Spam ergreifen, allerdings sollte dann aufgrund der dargestellten Problematik ganz auf die private Nutzung von E-Mail verzichtet werden, denn die rein dienstliche Nutzung von E-Mail unterliegt nicht dem Fernmeldegeheimnis.
Der Landesbeauftragte empfiehlt den öffentlichen Stellen des Landes, ihren Mitarbeitern zum Abruf und Versenden privater E-Mails die Nutzung sog. Freemail-Anbieter (oder auch kostenpflichtiger Angebote) zu gestatten. Die dienstliche E-Mail-Adresse sollte nur noch für dienstliche Zwecke verwendet werden. Da es sich bei der Bereitstellung eines Internetzugangs für private Zwecke um einen für den Mitarbeiter kostenlosen Telekommunikationsdienst handelt und somit keine Verkehrsdaten protokolliert werden dürfen, ist eine individuelle Einwilligung des Mitarbeiters erforderlich, wenn eine Protokollierung erfolgen soll. Beim Abruf privater E-Mails über das Internet wird dann lediglich protokolliert, dass der Mitarbeiter die Seite eines Freemail-Anbieters aufgerufen hat. Der Dritte ist nicht mehr betroffen, da weder die Tatsache protokolliert wird, dass er mit dem Mitarbeiter kommuniziert hat, noch eine Notwendigkeit besteht, Inhalte der Kommunikation zur Kenntnis zu nehmen. Ebenso ist es nicht mehr erforderlich, private E-Mails aufgrund von Viren oder Spam zu unterdrücken. Ein aktueller Virenscanner muss natürlich an jedem Internet-Arbeitsplatz aktiviert sein. Ebenso sollte jeder Mitarbeiter über die Möglichkeit informiert werden, nach der privaten Nutzung des Internets den Cache des Browsers zu löschen.
Aufgrund der durch den Beschluss des OLG Karlsruhe deutlich gewordenen Problematik sieht der Landesbeauftragte Bedarf, mit dem Ministerium des Innern über die im Jahr 2001 erlassene Musterdienstanweisung über die Bereitstellung und Nutzung von Internet-Zugängen, die die ausnahmsweise private Nutzung von E-Mail und Internet erlaubt, zu beraten und diese ggf. zu überarbeiten.