VII. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.2003 - 31.03.2005
8.3 Auskunftsersuchen der Finanzämter - „Wie hoch ist Ihre Rente?”
Durch die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen erhielt der Landesbeauftragte den Hinweis, dass eine dortige Finanzbehörde einen Contergan-Geschädigten aufgefordert hatte, die Höhe der Rentenleistungen aufgrund seiner Conterganschädigung mitzuteilen.
Diese Mitteilung nahm der Landesbeauftragte zum Anlass, um beim Ministerium der Finanzen anzufragen, ob derartige Fälle in Sachsen-Anhalt bereits aufgetreten sind. Das Ministerium teilte daraufhin mit, dass es in Sachsen-Anhalt bisher keine entsprechenden Fälle gegeben habe. Jedoch habe man keinerlei rechtliche Bedenken gegen das Vorgehen der nordrhein-westfälischen Finanzbehörde.
Der Landesbeauftragte teilt die Auffassung des Ministerium der Finanzen nicht. Hintergrund der Bedenken des Landesbeauftragten ist der Umstand, dass die Finanzbehörden aus dem Betrag der Rentenleistung Rückschlüsse auf den Grad der Beeinträchtigung ziehen könnten. Der Grad der Beeinträchtigung ist jedoch eine sensible, besonders geschützte personenbezogene Angabe, deren Preisgabe hier nicht notwendig ist.
Das den Finanzbehörden nach § 88 AO eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Art und des Umfangs der Ermittlungen wird durch gesetzliche Schranken, insbesondere die Verfassungsgrundsätze und auch die allgemeinen datenschutzrechtlichen Bestimmungen begrenzt. Zu den Verfassungsgrundsätzen gehört der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und, konkretisiert in den allgemeinen datenschutzrechtlichen Bestimmungen, der Grundsatz der Datensparsamkeit nach § 1 Abs. 2 DSG-LSA.
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müssen Maßnahmen von Behörden u.a. erforderlich sein. Diese Erforderlichkeit wäre jedenfalls bei einer Anfrage an alle Rentenempfänger nicht gegeben. Es ist hier nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu differenzieren. Aus Sicht des Landesbeauftragten kann durch ein abgestuftes System - ausgerichtet an der Unerlässlichkeit der Angaben - die Anzahl der Anfragen an die Betroffenen auf das unbedingt notwendige Maß reduziert werden.
Der Grundsatz der Datensparsamkeit verpflichtet öffentliche Stellen dazu, die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten an dem Ziel auszurichten, so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen. Auch im Hinblick darauf haben Finanzbehörden den Umfang der durch sie erhobenen personenbezogenen Daten auf das zwingend notwendige Maß zu begrenzen.