Menu
menu

III. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.1995 - 31.03.1997

12. Gewerbe, Handwerk und Wirtschaft

12.1 Industrie- und Handelskammern

Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern bildet das Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHK-G)

Mit der Gesetzesnovelle vom 23.11.1994 (BGBl. I S. 3475) wurden insbesondere die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des § 9 IHK-G hinsichtlich der Erhebungs- und Verarbeitungsrechte präzisiert. Sie traten am 1. Dezember 1995 in Kraft. Damit gibt es bereichspezifische Regelungen zur Datenerhebung bei den Kammerzugehörigen und den Finanzämtern (Abs. 1 und 2), zur Datenspeicherung und -nutzung (Abs. 3) und zur Datenübermittlung an Dritte (Abs. 4 und 6). 
Absatz 4 Satz 1 erlaubt es, personenbezogene Angaben der Kammerzugehörigen "zur Förderung von Geschäftsabschlüssen und zu anderen, dem Wirtschaftsverkehr dienenden Zwecken" an eine nicht-öffentliche Stelle zu übermitteln. Zulässige Übermittlungsdaten sind Name, Firma, Anschrift und der Wirtschaftszweig. Eine weitergehende Übermittlung personenbezogener Daten ist nur zulässig, soweit der Kammerzugehörige nicht widersprochen hat; er ist durch die IHK vor einer erstmaligen Übermittlung auf sein Widerspruchsrecht hinzuweisen.
Weitere Regelungen betreffen die Zweckbindung von übermittelten Daten beim Empfänger (Abs. 5). Für die Veränderung, Sperrung und Löschung sowie die Übermittlung an öffentliche Stellen finden die Datenschutzgesetze der Länder Anwendung (Abs. 6). 
Diese Regelungen sind ein positives Beispiel für normenklare gesetzliche Bestimmungen, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung für Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht gefordert hat. 

Der Landesbeauftragte hat die Industrie- und Handelskammern (IHK) mit Sitz in Magdeburg und Halle im Berichtszeitraum im Rahmen seiner Kontrollbefugnis nach § 22 Abs. 1 DSG-LSA überprüft. 

Die Kontrollen zeigten bei beiden überprüften Kammern datenschutzrechtliche Defizite, insbesondere bei der Gestaltung der Auftragsdatenverarbeitung. 

    • Verarbeitung der Daten der Kammerzugehörigen 

      Die IHK führt zur Erfüllung ihrer Kammeraufgaben ein Verzeichnis der Kleingewerbetreibenden (KGT) und der im Handelsregister (HR) eingetragenen Firmen. 
      Durch die "IHK Gesellschaft für Informationsverarbeitung mbH Dortmund" (IHK-GfI) werden die Daten der Kammerzugehörigen von bundesweit insgesamt 68 Kammern zentral in einer Verwaltungsdatenbank gespeichert.
      Weitere 15 Kammern, die ihre Daten dezentral verarbeiten, übermitteln monatlich mittels Datenträgeraustausch die Daten ihrer im HR eingetragenen Firmen der IHK-GfI zur Speicherung in der sog. Referenzdatenbank. 
      Durch dieses Informationssystem werden den an diese Verwaltungsdatenbank angeschlossenen IHK die Stammdaten eines jeden Kammerzugehörigen im Bundesgebiet zur Information und für Auskünfte zur Verfügung gestellt. Zusätzlich erhalten alle IHK im Rücklauf aus Dortmund eine sog. FIS-CD (FIS - Firmeninformationssystem) mit den Anschriften aller HR-Firmen, die eine bundesweite Recherche ermöglicht. 
      Das Speichern der Daten in der Verwaltungsdatenbank im Rechenzentrum der IHK-GfI in Dortmund und die Bereitstellung der Daten zum Abruf im automatisierten Verfahren sowie die Speicherung der HR-Firmen in der Referenzdatenbank und deren Bereitstellung auf einer FIS-CD sind jeweils als Auftragsdatenverarbeitungen bei einer nicht-öffentlichen Stelle nach § 8 DSG-LSA einzuordnen. Da zum Zeitpunkt der Kontrollen die gesetzlich vorgeschriebenen vertraglichen Vereinbarungen nicht vorlagen, fehlte für diese Datenverarbeitungen durch die IHK-GfI eine wesentliche Rechtsgrundlage. 

    • Verarbeitung der Daten der Auszubildenden 

      Im Zuge der Berufsausbildung werden mit dem Berufsausbildungsvertrag auch personenbezogene Daten bei den Auszubildenden erhoben. 
      Die Auswertung der bundeseinheitlichen schriftlichen Prüfung der Auszubildenden erfolgt ebenfalls durch das Rechenzentrum der IHK-GfI in Dortmund. Aus verfahrenstechnischen Gründen besteht dort - nach Angabe der überprüften Kammern - zur Durchführung des Programmlaufes die Notwendigkeit, neben den anonymisierten Prüfungsdaten, die gesamten Stammdaten des Auszubildenden zu übergeben. Zur weiteren Verwendung dieser personenbezogenen Daten der Auszubildenden durch die IHK-GfI in Dortmund konnten die hiesigen Kammern keine Auskunft geben. Eine vertragliche Vereinbarung mit der IHK-GfI bestand zum Zeitpunkt der Kontrollen hierzu ebenfalls nicht. Auch diese Datenverarbeitung war damit zu diesem Zeitpunkt unzulässig. 

Der Landesbeauftragte hat deshalb gefordert:

    • Für den Bereich der Auftragsdatenverarbeitung durch die IHK-Gfl ist von den Kammern vertraglich sicherzustellen, daß die Bestimmungen des Landesdatenschutzgesetzes befolgt werden und sich die IHK-Gfl der Kontrolle durch den Landesbeauftragten unterwirft (§ 8 Abs. 6 DSG-LSA), 
    • das bei der IHK-GfI eingerichtete automatisierte Abrufverfahren aus der Verwaltungsdatenbank ist auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen (§ 7 Abs. 1 DSG-LSA). 

Durch eine IHK wurde dem Landesbeauftragten inzwischen bereits der entsprechende Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung übersandt. Der Landesbeauftragte wurde darüber informiert, daß in Auswertung seiner Kontrolle der DIHT gegenwärtig einen Muster-Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung erarbeitet. Dieser sei dazu geeignet, auch vorhandene Defizite in anderen Bundesländern hinsichtlich der Auftragsdatenverarbeitung abzubauen. Der Landesbeauftragte wird diese Entwicklung weiterhin aufmerksam verfolgen. 

Datenschutzrechtlich von Bedeutung ist auch das im Aufbau befindliche automatisierte Abgleichverfahren der "Arbeitsgemeinschaft Kammerleitstelle für Bemessungsgrundlagen e.V." (AKB e.V.). Mitglieder der AKB e.V. sind neben der AKG GmbH alle IHK und HK. Dieses neue Verfahren soll zukünftig das bisherige Verfahren in den neuen Bundesländern zur Umsatzabfrage bei den Kammerzugehörigen ersetzen und vereinfachen. 
Die AKB e.V. in Dortmund will ab Januar 1998 mit den Finanzämtern in einen Datenabgleich eintreten. Bis zur Einführung dieses neuen Verfahrens, welches seine Rechtsgrundlage im eigenen Erhebungsrecht der IHK bei den Finanzämtern nach § 9 Abs. 2 IHK-G findet, sind auch hierfür durch die IHK die entsprechenden vertraglichen Regelungen mit der AKB e.V. unter Beachtung der Bestimmungen in § 8 DSG-LSA zu schaffen.