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III. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.1995 - 31.03.1997

21. Rechtspflege

21.1 Justizmitteilungsgesetz

Sowohl in seinem I. (S. 117) als auch in seinem II. Tätigkeitsbericht (S. 111) hat der Landesbeauftragte die Schaffung einer Rechtsgrundlage für das Justizmitteilungswesen angemahnt. Denn die Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes übermitteln in Verfahren der streitigen Zivilgerichtsbarkeit, in der freiwilligen Gerichtsbarkeit und in Strafsachen eine Vielzahl von personenbezogenen Daten aus und über eingeleitete Verfahren und Maßnahmen an die unterschiedlichsten Stellen.
Die Landesregierung hat in ihren beiden Stellungnahmen zu den Tätigkeitsberichten der Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage grundsätzlich zugestimmt, aber die weitere Anwendung der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften (Mitteilungen in Strafsachen - MiStra und Mitteilungen in Zivilsachen - MiZi) auf den sog. „Übergangsbonus” gestützt.
Der Landesbeauftragte ist jedoch nach wie vor der Auffassung, daß spätestens seit der Geltung des Artikels 6 Abs. 1 der Landesverfassung die genannten Verwaltungsvorschriften in Sachsen-Anhalt nicht mehr ohne gesetzliche Grundlage hätten angewendet werden dürfen. Die hilfsweise Stützung auf die Vorschriften des DSG-LSA reicht in vielen Fällen nicht mehr aus.

Die Bundesregierung hat im Berichtszeitraum nunmehr einen weiteren Entwurf für ein Justizmitteilungsgesetz (JuMiG-E) vorgelegt, der im Bundesrat im ersten Durchgang beraten wurde.

Die Kritik des Landesbeauftragten konzentriert sich im wesentlichen auf folgende Punkte:

  • Der im Vorentwurf noch enthaltene Anordnungsvorbehalt für Richter, Staatsanwälte und Beamte des gehobenen Justizdienstes wurde aufgegeben.
    Dies ist in all den Fällen nicht sachgerecht, in denen es einer sorgfältigen Abwägung und/oder juristischen Wertung bedarf, u.a. weil solche Mitteilungen erhebliche Auswirkungen für den Betroffenen haben können, und die Wahrung von Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger ein Gebot jedes staatlichen Handelns ist.

  • Die im Vorentwurf noch vorgesehene Unterrichtungspflicht des Betroffenen über Inhalt und Adressaten der ihn betreffenden Datenübermittlung wurde durch ein schwächeres Auskunftsrecht ersetzt. Daneben beschränkt sich das Gesetz auf allgemeine Übermittlungsbefugnisse und verlagert die Regelung, wann, in welchen Fällen und zu welchem Zweck eine Übermittlung erfolgen soll, auf die Ebene von Verwaltungsvorschriften.
    Auch diese Lösung ist aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht akzeptabel. Auf eine Unterrichtungspflicht des Betroffenen von Amts wegen kann nur dann verzichtet werden, wenn für ihn aus dem Gesetz unmittelbar zu ersehen ist, daß und welche Daten zu welchen Zwecken an wen übermittelt worden sind. Da die vorgesehenen Regelungen lediglich einen Rahmen für zulässige Übermittlungen abstecken, die Einzelheiten aber in Verwaltungsvorschriften geregelt werden sollen, die dem Bürger im Normalfall nicht zugänglich sind, sind die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien, daß jeder Bürger klar und deutlich aus dem Gesetz erkennen können muß, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß, in keiner Weise erfüllt.

Die kritische Stellungnahme des Landesbeauftragten wurde vom Ministerium der Justiz nicht aufgegriffen. Auch ein Schreiben des Vorsitzenden der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 13. November 1995 an die Ministerin der Justiz als damalige Vorsitzende der Justizministerkonferenz, das die o.g. zentralen datenschutzrechtlichen Anliegen nochmals nachdrücklich formulierte, führte zu keinem besseren Ergebnis.

Statt dessen hat der Bundesrat in seiner jetzigen Stellungnahme zum Gesetzentwurf weitere datenschutzrechtliche Verschlechterungen beschlossen, die überwiegend „weichere” Formulierungen enthalten, und damit den verfassungsrechtlich gebotenen Erforderlichkeitsgrundsatz aushebeln.

Der Gesetzentwurf wird nunmehr im Rechtsausschuß des Bundestages beraten. Ein Ende ist noch nicht abzusehen.

Unabhängig davon haben sich auch im Berichtszeitraum beim Landesbeauftragten Eingaben von Bürgern gehäuft, die sich darüber beschwert haben, daß zu ihren Lasten Datenübermittlungen auf der Grundlage der MiStra und der MiZi vorgenommen worden sind, die zu schweren Nachteilen für sie geführt haben.

Lediglich in einem Fall ist der Bundesgesetzgeber vorauseilend tätig geworden. Die bisher in der MiZi zu findende Vorschrift, wonach bei Wohnraumräumungsklagen, ohne Rücksicht auf die Erforderlichkeit im Einzelfall, generell pauschale Datenübermittlungen vorsorglich zum Zwecke der Vermeidung von Obdachlosigkeit an die Gemeinden erfolgen, ist in § 15a BSHG auf eine gesetzliche Grundlage gestellt worden. Auch hiergegen bestehen noch datenschutzrechtliche Bedenken, da nicht jede Räumungsklage auf einem Zahlungsverzug, ausgelöst durch eine wirtschaftliche Notlage des Mieters, beruht. Dann aber geht eine solche Kündigung keine öffentliche Stelle etwas an.