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III. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.1995 - 31.03.1997

21.7 Übermittlung personenbezogener Daten durch die Strafverfolgungsbehörden an die Medien

Schon die Öffentlichkeitsfahndung in Strafverfahren nach Beschuldigten oder unbekannten Tatverdächtigen bedeutet eine erhebliche Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Deshalb sind Übermittlungen personenbezogener Daten über strafrechtliche Ermittlungsverfahren an die Medien mit allergrößter Vorsicht zu handhaben. Da ein Ermittlungsverfahren bereits auf Verdacht eröffnet wird, ist der juristisch nicht vorgebildete Bürger allzuleicht geneigt, die Eröffnung eines solchen Verfahrens schon mit dem Nachweis der zur Last gelegten Tat gleichzusetzen. Das wird der Wirklichkeit nicht gerecht, denn die Mehrzahl der Ermittlungsverfahren wird eingestellt, weil sich z.B. der Verdacht nicht bestätigt oder keine Schuld des Betroffenen vorliegt.
Die Medien, deren tägliche Berichterstattung in erheblichem Umfange von laufenden Ermittlungs- und Strafverfahren lebt, haben naturgemäß ein erhebliches Interesse an möglichst detaillierten Informationen über Täter und Opfer von Straftaten. Demgegenüber haben die jeweils Betroffenen regelmäßig ein grundlegendes Interesse daran, daß ihre personenbezogenen Daten nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Jede Bekanntgabe personenbezogener Daten an die Medien durch die Strafverfolgungsbehörden ist rechtlich eine Datenübermittlung an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereiches und bedarf als Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einer bereichsspezifischen gesetzlichen Grundlage. Eine derartige Regelung existiert jedoch weder im Landespressegesetz noch in der StPO. Lediglich die bundeseinheitlichen „Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren” (RiStBV) enthalten als Verwaltungsvorschriften allgemeine Abwägungsregelungen für die Zusammenarbeit der Justiz mit Presse und Rundfunk. Daneben besteht im Lande Sachsen-Anhalt auch noch eine Verwaltungsvorschrift über die „Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Medien bei der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr”, die, wenn auch in der Form nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht, so doch zumindest inhaltlich ansatzweise datenschutzrechtliche Mindestforderungen enthält.

Ein Entwurf des Ministeriums der Justiz vom Oktober 1994 zu „Richtlinien für die Zusammenarbeit der Justiz mit Presse und Rundfunk” ist seinerzeit vom Landesbeauftragten überprüft worden. Dabei zeigten sich erhebliche datenschutzrechtliche Lücken.
Ende Februar 1997 hat das Ministerium der Justiz - ohne erneute Beteiligung des Landesbeauftragten - nun diese Richtlinien im Justizministerialblatt veröffentlicht.
Eine zunächst kursorische Überprüfung hat ergeben, daß auch die jetzt überarbeitete Fassung teilweise nicht den datenschutzrechtlichen Anforderungen genügt und zumindest in einem Punkt nicht mit Art. 6 der Landesverfassung vereinbar sein dürfte, weil die Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke der Pressearbeit ohne gesetzliche Grundlage erfolgt.
Der Landesbeauftragte wird diese Punkte im einzelnen noch mit dem Ministerium erörtern.

Die 51. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat in einer Entschließung den Bundesgesetzgeber aufgefordert, bereichsspezifische Regelungen für die Übermittlung personenbezogener Daten durch die Strafverfolgungsbehörden an die Medien (außerhalb der Öffentlichkeitsfahndung) zu schaffen (Anlage 8). Diese Regelungen sollen - entsprechend der Forderung des Bundesverfassungsgerichtes - für die Bürger den Umfang des Eingriffs in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung erkennbar machen und ausgewogen die verschiedenen Interessen und Rechte berücksichtigen.