III. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.1995 - 31.03.1997
26. Strafvollzug
26.1 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes
Den jahrelangen Forderungen der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, auch im Bereich des Strafvollzuges durch eine Änderung des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) bereichsspezifische Rechtsgrundlagen für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten zu schaffen, hat das Bundesministerium der Justiz nunmehr in einem zweiten Anlauf nach 1991 durch einen vorläufigen Referentenentwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes zu entsprechen versucht.
Leider ist auch dieser Entwurf aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht frei von Bedenken. Zwar ist als deutliche datenschutzrechtliche Verbesserung vorgesehen, die Gefangenen über ihr Recht aufzuklären, die Vernichtung der angefertigten erkennungsdienstlichen Unterlagen z.B. bei der Entlassungsverhandlung verlangen zu können. Vorzuziehen wäre jedoch eine Lösung, wonach die erkennungsdienstlichen Unterlagen unaufgefordert nach Entlassung des Gefangenen aufgrund einer festen gesetzlichen Regelung zu vernichten sind.
Darüber hinaus hat der Landesbeauftragte empfohlen, eine klare Regelung der Fälle vorzunehmen, in denen eine erkennungsdienstliche Behandlung im Strafvollzug nicht stattfinden darf. So sollte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer generellen erkennungsdienstlichen Behandlung zumindest bei kurzen Freiheitsstrafen sowie bei Ersatzfreiheitsstrafen abgesehen werden.
Des weiteren hat der Landesbeauftragte angeregt, daß, neben den allgemeinen Regelungen zur Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten der Gefangenen, in § 180 des Gesetzentwurfs eine spezielle Regelung über die Führung der Gefangenenpersonalakten getroffen werden sollte, da diese die wichtigsten und umfangreichsten Datensammlungen in den Justizvollzugsanstalten enthalten. Im Gesetz selbst oder einer Rechtsverordnung sollte festgelegt werden, welchen Inhalt die Gefangenenpersonalakte hat und wie sie geführt werden soll. Außerdem sollte eine weitere Unterteilung der Gefangenenpersonalakte vorgesehen werden, um zu verhindern, daß für jede Form der Verarbeitung und Nutzung die gesamte Gefangenenpersonalakte herangezogen werden muß. Denkbar wären z.B. Sonderhefte für Erkenntnisse aus der Überwachung des Besuchs- und Schriftverkehrs, für die Unterlagen über Bezugspersonen, für die Unterlagen über die erkennungsdienstliche Behandlung und für die Vorgänge bezüglich der Gefangenenarbeit. Auch bei der Auskunftserteilung ließen sich mit Teilakten Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Gefangenen einschränken.
Die vorgesehenen Aufbewahrungsfristen für Altakten von 30 Jahren sind nach Ansicht des Landesbeauftragten in vielen Fällen deutlich zu lang bemessen. Statt dessen hält der Landesbeauftragte eine zehnjährige Aufbewahrungsfrist nach der Entlassung, zumindest für die Gefangenenpersonalakten, die Gesundheitsakten und die Krankenblätter für ausreichend.
Zur fraglichen Übermittlung von Gefangenendaten für Forschungszwecke hat sich der Landesbeauftragte dafür ausgesprochen, daß diese angesichts der Sensibilität der Daten im Grundsatz nur mit Einwilligung der Gefangenen erlaubt sein soll. Für Ausnahmefälle wäre eine Erlaubnis durch die Oberste Landesbehörde vorzusehen. Die in § 186 des Gesetzentwurfs vorgesehene Übersendung von Akten erhöht unnötig das Risiko einer zweckfremden Verwendung. Insbesondere die besonders sensible Daten enthaltenden Gefangenenpersonalakten sollten zur Akteneinsicht nur ausnahmsweise an Forschungseinrichtungen versandt werden, wenn der Forschungszweck anderweitig nicht erfüllt würde. Im übrigen würde eine Aktenversendung vielfach die Anfertigung von Aktendoppeln oder Retenten bedingen, um einen geordneten Anstaltsbetrieb ununterbrochen zu gewährleisten. Damit würde auch das generelle Verbot der Doppeldatenerhebung berührt.
Erhebliche Bedenken erhob der Landesbeauftragte gegenüber einer im Gesetzentwurf vorgesehenen Bestimmung, eine beabsichtigte Veröffentlichung von Gefangenendaten anläßlich einer Forschungsarbeit allein davon abhängig zu machen, daß die Darstellung von Forschungsergebnissen über die Ereignisse der Zeitgeschichte unerläßlich ist. Zumindest muß angesichts des erheblichen Eingriffs in das Grundrecht des Gefangenen eine Abwägung mit eventuell überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Betroffenen stattfinden.
Das Ministerium der Justiz unterstützt die Empfehlungen des Landesbeauftragten gegenüber dem Bundesministerium der Justiz nur teilweise, so bezüglich einer gesetzlichen Bestimmung zur Vernichtung der Ed-Unterlagen des Gefangenen bei seiner Entlassung und des Absehens von der Aktenversendung zu Forschungszwecken.
Die weitere Entwicklung des Gesetzesvorhabens wird zunächst von den Beratungen zwischen den Landesjustizverwaltungen im Bundesministerium der Justiz abhängen und kritisch zu beobachten sein.