IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.1997 - 31.03.1999
18.5 Datenübermittlung aus Personalakten von Polizeibeamten
Im Zusammenhang mit der Vernehmung einer abzuschiebenden ausländischen Staatsangehörigen ergaben sich vage Hinweise auf einen Verrat von Dienstgeheimnissen durch Polizeibeamte einer bestimmten Dienststelle. Die Vernehmung einer weiteren Zeugin führte zu einer Personenbeschreibung zweier Männer. Obwohl nähere Angaben zu Art, Umfang und Zeit einer möglichen Dienstgeheimnisverletzung fehlten, ordnete daraufhin ein für die Ermittlungen unzuständiger leitender Polizeibeamter, unter Umgehung des Personaldezernatsleiters und des Behördenleiters, die Entnahme von Lichtbildern aus einer Vielzahl von Personalakten von Polizeivollzugsbeamten an. Sämtliche Lichtbilder wurden der Zeugin vorgelegt.
Die Entnahme der Lichtbilder aus den Personalakten und die anschließende Übermittlung durch Vorlage an die Zeugin beurteilte sich nach § 28 Abs. 1 Satz 1 DSG-LSA i.V. mit § 56 Abs. 1 BRRG (jetzt § 90 Abs. 1 BG LSA). Danach dürfen Daten von Beschäftigten nur verarbeitet und genutzt werden, wenn dies zur Durchführung personeller Maßnahmen erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift dies vorsieht. Deshalb war zunächst zu prüfen, ob die Lichtbilder von der Personalstelle für dienstrechtliche oder polizeiliche Ermittlungen herausgegeben werden durften und ob es sich schon bei der Herausgabe der Lichtbilder an den leitenden Beamten um eine Datenübermittlung oder (nur) eine Datenweitergabe handelte.
Verschiedene Organisationseinheiten innerhalb einer Behörde sind zwar grundsätzlich zueinander nicht Dritte, weil sie derselben speichernden Stelle angehören. Gleichwohl gebot die Einhaltung des Zweckbindungsgrundsatzes und der von Verfassungs wegen gebotene Grundrechtsschutz der betroffenen Beamten im vorliegenden Fall die Anwendung des sog. funktionalen Behördenbegriffs. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur informationellen Gewaltenteilung auch innerhalb einer Behörde war die Herausgabe der Lichtbilder aus dem Personaldezernat an den leitenden Beamten der gleichen Behörde eine Datenübermittlung an einen Dritten.
Die Unterscheidung ist z.B. für die strafrechtliche Beurteilung (§ 31 DSG-LSA) wichtig und darf insbesondere bei komplexen Behörden, wie z.B. einer Polizeibehörde oder einem Regierungspräsidium, nicht verwischt werden, wenn die von Verfassungs wegen gebotene Zweckbindung von Daten nicht ins Leere laufen soll.
Der anordnende leitende Beamte war weder unmittelbarer Vorgesetzter für die Personalstelle noch war er in Vertretung des Behördenleiters tätig. Für die von ihm angeordnete Lichtbildherausgabe und deren spätere Vorlage an die Zeugin fehlte eine gesetzliche Übermittlungsgrundlage im Dienstrecht.
Ein konkreter Tatverdacht, der die Einleitung eines strafprozessualen Ermittlungsverfahrens aufgrund eines Anfangsverdachts gem. §§ 160, 163 StPO gerechtfertigt hätte, lag nach der Beurteilung des Sachverhalts aus der Sicht des Landesbeauftragten gegenüber keiner der Personen, deren Lichtbilder aus der Personalakte entnommen worden sind, vor. Die Entnahme und die Verwendung der Lichtbilder diente gerade nicht dazu, einen bereits bestehenden Anfangsverdacht zu bestätigen, sondern erst Verdachtsmomente gegenüber Betroffenen zu finden (sog. Verdachtsschöpfungen). Im übrigen war der anordnende Beamte weder Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft noch lag seitens dieser eine entsprechende Anordnung vor.
Damit war der geschilderte Umgang mit den Lichtbildern auch unter strafprozessualen Bestimmungen unzulässig.
Angesichts der Gesamtumstände war eine förmliche Beanstandung geboten. Der Minister des Innern wollte nicht ausschließen, daß vielleicht doch ein Anfangsverdacht, wenn auch nicht personell konkretisiert, gegeben gewesen sein könnte. Im Ergebnis hält das Ministerium die Entnahme der Lichtbilder nicht für gelungen und hat den Vorgang zum Anlaß genommen, im Rahmen einer Besprechung auf die Problematik hinzuweisen.