IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.1997 - 31.03.1999
21.2 Strafverfahrensänderungsgesetz
21.2.1 Generelle Anmerkungen
Zu Beginn des Jahres 1999 hat die Bundesregierung einen weiteren Entwurf für ein Strafverfahrensänderungsgesetz (StVÄG) vorgelegt. Dieser knüpft an den nicht mehr weiter diskutierten Entwurf des Jahres 1996 an (siehe III. Tätigkeitsbericht S. 94 f).
Ziel soll (immer noch) sein, für die bei der strafprozessualen Ermittlungstätigkeit in einem Strafverfahren erhobenen personenbezogenen Unterlagen sowie die Verarbeitung personenbezogener Daten in Dateien und ihre Nutzung präzise und normenklare Rechtsgrundlagen zu schaffen.
Neu ist, daß der Entwurf auch eine Übermittlungsbefugnis des Bundeszentralregisters zur Erteilung von Auskünften an die Staatsanwaltschaften und das Bundeskriminalamt zur Durchführung von § 2 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz und entsprechende Anfragebefugnisse schaffen will.
Die im neuen Entwurf vorgesehenen Änderungen enthalten gravierende Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, die, insbesondere bei den Regelungen zur Sicherstellung der Strafverfolgung und Strafvollstreckung, den engen verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zur Unabweisbarkeit schwerer Eingriffe in keiner Weise entsprechen (BVerf in st. Rechtspr. E 19, 342 (348); E 45, 400 (420), zuletzt E 88, 203 (309)).
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat dazu bereits in ihrer Entschließung vom 17./18. April 1997 (Anlage 2) eingehend begründete Forderungen erhoben. Davon wurde im vorliegenden Entwurf kaum ein wesentlicher Punkt berücksichtigt. In der jetzt beiliegenden Begründung für die vorgesehenen Eingriffe wird lediglich pauschal auf "Bedürfnisse der Praxis" verwiesen. Belegt oder auch nur ansatzweise nachvollziehbar dargelegt sind solche Bedürfnisse nicht. Erkennbar sind allenfalls "kurzsichtige" Bemühungen, Staatsanwälte mit Hilfe der gesetzlichen Regelungen auf Kosten der Rechte Betroffener von Aufgaben zu entlasten und diese auf die Polizei zu übertragen. Damit wird nicht nur das bewährte Prinzip der justiziellen Kontrolle in wichtigen Bereichen des Ermittlungsverfahrens aufgegeben, sondern es findet auch die vom Bundesverfassungsgericht immer wieder geforderte Prüfung und Beschränkung auf erforderliche Eingriffe des Gesetzgebers nicht statt.
Der Landesbeauftragte hat zum Entwurf 1999 Stellung genommen. Seine Bedenken beziehen sich im wesentlichen auf folgende Regelungen:
die Ausweitung der polizeilichen Befugnisse und die Aufweichung des Richtervorbehaltes durch die Möglichkeit, daß Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft bei Gefahr im Verzug Öffentlichkeitsfahndungen einleiten bzw. längerfristige Observationen anordnen und Tage bis zu einer richterlichen Entscheidung vergehen,
die unverhältnismäßige Belastung von Zeugen im Rahmen der Öffentlichkeitsfahndung, wo bereits eine "wesentliche Erschwernis" der Ermittlungen ausreichen soll, um eine Öffentlichkeitsfahndung nach ihnen auszulösen sowie die Nichtbeachtung von Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechten,
keine Benachrichtigungspflicht an Betroffene bei längerfristigen Observationen,
die begrifflich zu unbestimmte Akteneinsicht zu "Zwecken der Rechtspflege",
Doppelspeicherungen von Daten für Zwecke künftiger Strafverfahren, da neben bestehenden Speicherungsbefugnissen nach Landes- und Bundespolizeirecht und des im Aufbau befindlichen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregisters noch weiter die eigenständige Speicherung bei den Staatsanwaltschaften vorgesehen ist,
die im Hinblick auf das staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister entbehrlichen gemeinsamen Dateien und die dazu fehlenden Vorschriften zur datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit.
Der weitere Verlauf des Gesetzgebungsverfahren bleibt abzuwarten.