IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.1997 - 31.03.1999
23. Sozialwesen
23.1 Probleme mit Jugendlichen
In einer kleineren Gemeinde schlug ein Jugendlicher derart über die Stränge, daß sich die Bürgermeisterin genötigt sah, tätig zu werden.
Sie lud dabei mit einem an "verantwortungsvolle Bürger der Gemeinde" gerichteten Rundschreiben zu einem offenen Gespräch ein, um zu beraten, wie mit dem unter voller Namensnennung bezeichneten Jugendlichen und seinen Eltern in Zukunft "sachlich zu befinden" sei. Gleichzeitig wurde in der Einladung angemerkt: "Jedem ist die Möglichkeit zu verbaler Anklage- und Verteidigungsäußerung gegeben."
Der Landesbeauftragte wies die Gemeinde darauf hin, daß für die Angabe des Vornamens und des Namens des Jugendlichen, die Hinweise auf seine Eltern und die von ihm gezeigten möglicherweise sozialschädlichen Verhaltensweisen weder die erforderliche gesetzliche Befugnis für die Offenbarung noch die Einwilligung der Betroffenen vorlag. Folglich wurden diese personenbezogenen Daten durch die Bürgermeisterin in rechtlich unzulässiger Weise an Dritte übermittelt.
Weiterhin mußte festgestellt werden, daß die mit dem Rundschreiben ins Auge gefaßten Maßnahmen nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches nicht einmal in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinde, sondern den des Landkreises fielen.
Der Landesbeauftragte hat deshalb nicht nur die betroffene Gemeinde zur sofortigen Einstellung der Briefversendung und deren Rückabwicklung aufgefordert, sondern auch die Kommunalaufsicht gebeten, die Veranstaltung mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu untersagen. Dies geschah auch.
Der Gemeinde bleibt es unbenommen, eine allgemeine Veranstaltung(sreihe) zum Problembereich der Jugendgewalt und des Vandalismus durchzuführen. Allerdings müßte die Leiterin der Veranstaltung dann ihr besonderes Augenmerk auf die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen richten.
Auch ein auf freiwilliger Basis geführtes Gespräch zwischen der Bürgermeisterin, den Eltern und dem Jugendlichen, um die aufgelaufenen Probleme zu erörtern und zu beseitigen, wäre rechtlich unbedenklich.