IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.1997 - 31.03.1999
25.2 Entwurf eines Untersuchungshaftvollzugsgesetzes (UVollzG-E)
Das Ministerium der Justiz übersandte kurz vor Redaktionsschluß zu diesem Tätigkeitsbericht den neuen Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft - Stand 22.02.1999 - (vgl. zum früheren Entwurf III. Tätigkeitsbericht, S. 138 f). Der Landesbeauftragte begrüßt ausdrücklich die beabsichtigte gesetzliche Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft. Die Landesbeauftragten und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz haben in diesem Bereich immer eine gesetzliche Regelung angemahnt, zuletzt in ihrer Entschließung zu "Fehlenden bereichsspezifischen Regelungen bei der Justiz" vom 05./06.10.1998 (Anlage 14) .
Zu dem vorliegenden Entwurf ist datenschutzrechtlich folgendes zu bemerken:
Der Entwurf fällt bei der Bewertung dadurch auf, daß er ganz offensichtlich die für die Haftanstalt möglichst einfachen Handlungsabläufe favorisiert und die Persönlichkeitsrechte des U-Häftlings weitgehend verdrängt. Dies steht weder mit dessen Rechtsstatus und seinen Grundrechten im Einklang noch mit der bekannt gering ausfallenden Verurteilungsquote im Anschluß an die U-Haft zu maßgeblichen Freiheitsstrafen.
Die in § 6 Abs. 2 Satz 3 UVollzG-E vorgesehene Übersendung einer Mehrausfertigung der Anklageschrift sollte nur bei Erforderlichkeit für die Aufgabenerfüllung der Anstalt erfolgen, da eine Anklageschrift in der Regel eine Fülle personenbezogener Daten enthält, deren Kenntnis für die Anstalt nicht notwendig ist.
§ 7 Abs. 4 UVollzG-E sieht vor, daß andere Gefangene bei der Aufnahme in die Anstalt, dem Aufnahmegespräch und der ärztlichen Untersuchung nicht anwesend sein dürfen. Dies ist positiv zu bewerten. Ausnahmen bedürfen der Zustimmung des betroffenen Gefangenen, soweit die Hinzuziehung eines anderen Gefangenen nicht lediglich der Verständigung dient. Diese Regelung in § 7 Abs. 4 Satz 2 UVollzG-E ist nicht unbedenklich, denn durch die Hinzuziehung bei Sprachproblemen entsteht die Gefahr, daß hochsensible Gefangenendaten in der Anstalt bekannt werden. Im übrigen ist nicht auszuschließen, daß ein Gefangener infolge der Streßsituation bei einer vielleicht erstmaligen Aufnahme in eine Anstalt, sich der Tragweite seiner Zustimmung nicht bewußt ist. In der Stellungnahme des Landesbeauftragten gegenüber dem Ministerium der Justiz wurde daher vorgeschlagen, bei Verständigungsproblemen auf vereidigte Dolmetscher zurückzugreifen. Weiterhin fehlt eine Regelung, was geschehen soll, wenn der Gefangene seine Zustimmung nicht erteilt.
Die Überwachung aller Besuche gem. § 17 Abs. 1 UVollzG-E begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken. Mit dieser Regelung werden selbst vertrauliche Besuche nächster Angehöriger unmöglich, ohne daß dies in jedem Inhaftierungsfall zwingend geboten ist. Hier sollte in Absatz 1 ein Satz angefügt werden, nachdem das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Ausnahmen für Besuche von Angehörigen zulassen kann. Eine solche Regelung würde auch der prinzipiellen Unschuldsvermutung zugunsten von Untersuchungsgefangenen entsprechen.
Bei der Überwachung des Schriftwechsels gem. § 19 UVollzG-E wird vorgeschlagen, in Anbetracht des massiven Eingriffs in das verfassungsrechtlich geschützte Briefgeheimnis zumindest eine Unterrichtung des betroffenen Gefangenen vorzusehen.
Zu § 20 Abs. 2 UVollzG-E wird angeregt, zumindest für die in Abs. 1 Nr. 2 bis 4 vorgesehenen Sachverhalte einen Richtervorbehalt zu verankern. Gerade das Anhalten von Schreiben nach Abs. 1 Nr. 2 und 3 setzt Wertungen voraus, die Personen vorbehalten sein sollten, die über die notwendige Distanz und Neutralität gegenüber der Anstalt verfügen. Die Abfassung eines Schreibens in "fremder Sprache" - was immer das bedeuten soll - ist ohnehin kein rational begründeter Zurückweisungsgrund bei U-Haft. Im Strafvollzug mag das andere Bedeutung haben.
In § 36 Nr. 2 UVollzG-E sollte mit aufgenommen werden, daß auch eine Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nach § 180 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz unterbleibt. Die dort aufgeführten öffentlichen Belange werden zwar regelmäßig höher zu bewerten sein als die entgegenstehenden Belange des Untersuchungsgefangenen, allerdings kann es in Einzelfällen durchaus geboten sein, von der Verarbeitung und Nutzung besonders schutzwürdiger personenbezogener Daten Abstand zu nehmen.
In § 36 Nr. 3 UVollzG-E sollte klargestellt werden, daß eine Mitteilung nur an öffentliche Stellen zulässig ist. Die Unschuldsvermutung zugunsten von Untersuchungsgefangenen gebietet es, daß eine Mitteilung über den Anstaltsaufenthalt eines Gefangenen nur an solche Stellen geht, für deren Arbeit diese Kenntnis zwingend notwendig ist. Im übrigen fehlt eine Regelung für den Fall, daß ein Untersuchungsgefangener rechtskräftig freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde. In diesen Fällen wären die Stellen, die gem. § 180 Abs. 5 Satz 1 Strafvollzugsgesetz eine Mitteilung vom Anstaltsaufenthalt erhalten haben, zu informieren.
Der Landesbeauftragte hat gegenüber dem Ministerium der Justiz in diesem Sinne Stellung genommen.