IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.1997 - 31.03.1999
27. Verkehr
27.1 Neues Mammutregister im Straßenverkehrsrecht
Über den Stand der Aktivitäten des Bundesgesetzgebers zur Novellierung des StVG und anderer Gesetze hat der Landesbeauftragte zuletzt in seinem III. Tätigkeitsbericht (S. 141 ff) berichtet. Der damalige Gesetzentwurf vom November 1996 beinhaltete eine Reihe von datenschutzrechtlichen Verbesserungen. Erinnert sei nur an die Entwürfe hinsichtlich der unentgeltlichen Selbstauskunft für Betroffene und der Zweckbindung von Abrufprotokolldaten aus dem VZR und ZFR sowie die Harmonisierung der Verwertungsregel des Bundeszentralregisters (§ 52 Abs. 2 BZRG) mit denen des VZR bei Verfahren zur Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis.
Das nun am 01. Januar 1999 in Kraft getretene "Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze" vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 747) beinhaltet datenschutzrechtliche Verbesserungen im Artikel 1 (Änderungen des StVG), die insbesondere die Regelungen des neuen Fahrerlaubnisrechts (§§ 2 bis 6 StVG) betreffen.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht zu begrüßen ist, daß für die Datenverarbeitung in Führerscheinakten erstmalig gesetzliche Festlegungen getroffen wurden, auch wenn sie nicht umfassend sind. Registerauskünfte, Führungszeugnisse, Gutachten und Gesundheitszeugnisse sind nunmehr nach spätestens zehn Jahren zu vernichten, es sei denn, die Unterlagen stehen im Zusammenhang mit einer Eintragung im VZR oder im Zentralen Fahrerlaubnisregister (ZFER) (vgl. § 2 Abs. 9 StVG). Unterlagen, die sich bereits am 1. Januar 1999 in "Altakten" befunden haben, müssen allerdings erst dann berichtigt werden, wenn die Fahrerlaubnisbehörde aus anderem Anlaß mit dem Vorgang befaßt ist. Die Überprüfung und etwaige "Bereinigung" aller Führerscheinakten muß fünfzehn Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, also bis zum 1. Januar 2014, erfolgt sein (vgl. § 65 Abs. 1 StVG).
Positiv sind aus datenschutzrechtlicher Sicht auch die Regelungen zur unentgeltlichen Auskunft über eigene Daten für Betroffene aus dem VZR (§ 30 Abs. 8 StVG) und den Fahrerlaubnisregistern (§ 58 StVG).
Mit Artikel 5 (Änderung des BZRG) wurde in § 52 Abs. 2 BZRG eine Harmonisierung der Verwertungsregelungen unter Beachtung der Verwertungsfristen der §§ 28 bis 30b StVG vorgenommen.
In Verfahren, die die Erteilung oder die Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hatten, galt bisher eine unbefristete Verwertungsmöglichkeit, selbst wenn die Eintragungen in beiden Registern getilgt waren (vgl. II. Tätigkeitsbericht, S. 164 f).
Nunmehr erfolgte im BZRG die Korrektur. Danach dürfen nun die Tat und die Entscheidung nach der Tilgung im VZR im Verfahren über die Erteilung oder Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr zum Nachteil des Betroffenen verwertet werden.
Dennoch bleiben die auch vom Landesbeauftragten früh angesprochenen Bedenken gegen das neue "Mammutregister" (§ 48 Abs. 2 StVG). Da alle Fahrerlaubnisinhaber gespeichert werden, wird dieses Register letztendlich auf ca. 50 Millionen Datensätze anwachsen. Erfaßt werden in ihm die unveränderbaren Personalien und Führerscheindaten der Betroffenen. Immerhin werden die Anschriften nicht gespeichert. Damit wird auf die Einführung eines neuen bundesweiten "Melderegisters" von Führerscheininhabern verzichtet.
Zusätzlich werden in das ZFER die Daten über die Fahrlehrer und die Kraftfahrsachverständigen übernommen, die bisher beim KBA in eigenständigen Fahrlehrer- und Kraftfahrsachverständigenregistern geführt wurden (vgl. Artikel 2 - Änderung des Fahrlehrergesetzes; Artikel 6 - Änderung des Kraftfahrsachverständigengesetzes).
Neben zahlreichen deutschen Stellen erhalten viele öffentliche Stellen der EU-Mitgliedstaaten im automatisierten Verfahren Zugriff auf das ZFER (vgl. §§ 52 bis 56 StVG).
Der Landesbeauftragte ist aber nach wie vor nicht von der Notwendigkeit eines Zentralen Fahrerlaubnisregisters im Sinne eines überwiegenden Allgemeininteresses überzeugt. Angesichts der zahlreichen europaweiten Abrufmöglichkeiten öffentlicher Stellen besteht mit der Einrichtung des ZFER jederzeit die Möglichkeit, ein umfassendes elektronisches Überwachungssystem nicht nur für den Verkehrsbereich zu schaffen. Ist das Register erst da, kommen auch neue Begehrlichkeiten zu neuen Übermittlungs- und Nutzungsmöglichkeiten.
Zudem ist kritisch anzumerken, daß die örtlichen Fahrerlaubnisbehörden bei ihrer Aufgabenerfüllung zukünftig auf ein zentrales Register einer Bundesbehörde angewiesen sind. Den Bundesländern ist mit dieser Neuregelung jegliche Einflußnahme und Kontrollkompetenz entzogen.
Auch ist es fraglich, ob in der täglichen Arbeit die Fahrerlaubnisbehörden ohne "eigene" automatisierte Datenverarbeitung auskommen werden. Auch wenn mit der festgelegten Auflösung der örtlichen Fahrerlaubnisregister bis zum 31. Dezember 2005 das Problem der "Doppelspeicherung" gesetzlich gelöst wurde, liegt der Schluß nahe, daß andere örtliche Dateien entstehen könnten, die zwar nicht mehr den Namen "Örtliches Fahrerlaubnisregister" tragen, gleichwohl aber in letzter Konsequenz eine Doppelspeicherung von Fahrerlaubnisdaten beinhalten würden.
Bislang wurden Abrufe aus dem VZR und dem ZFR protokolliert und durften nur für Zwecke der Datenschutzkontrolle genutzt werden. Nunmehr wird die Nutzung der Protokolldaten über Abrufe aus dem VZR, dem ZFR und dem ZFER auch zur Aufklärung oder Verhütung von schwerwiegenden Straftaten gegen Leib, Leben oder Freiheit einer Person zugelassen. Die Aufbewahrungsfrist der Protokolldaten wurde von drei auf sechs Monate verlängert (vgl. §§ 30a Abs. 3; 36 Abs. 6; 53 Abs. 3 StVG). Damit erhalten die Protokolldateien den Charakter polizeilicher Fahndungsdateien.