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VI. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.2001 - 31.03.2003

14.4 Zwangsvollstreckung gegen die falsche Person

Bei jedem Verwaltungshandeln, insbesondere bei der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten, haben öffentliche Stellen größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen. Das gilt zum einen, um die Betroffenen nicht unzulässig in ihren Persönlichkeitsrechten zu beeinträchtigen, aber auch, um nicht berechtigte Schadenersatzansprüche (§ 18 DSG-LSA) auszulösen. Dies alles ignorierend, brachte eine Stadtverwaltung erst einen unbeteiligten Bürger und schließlich sich selbst in große Schwierigkeiten.

Ein aufgebrachter Vater hatte sich mit folgendem abstrusen Sachverhalt an den Landesbeauftragten gewandt:
Er hatte Post von dieser Stadtverwaltung erhalten. Inhalt des Umschlages war zwar ein an seinen volljährigen Sohn mit Name und Vorname gerichtetes Schreiben, adressiert aber an eine völlig fremde Adresse. Dieses Schreiben hatte es in sich! Es handelte sich um nicht weniger als die Ankündigung einer Zwangsvollstreckung. Gepfändet werden sollte in das bewegliche Vermögen, wenn nicht innerhalb einer Woche eine Forderung von über 1.500 DM befriedigt würde. Die insgesamt 25 Einzelforderungen bestanden fast ausschließlich aus Verwarngeldforderungen im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr.

Der Landesbeauftragte musste in der betreffenden Stadtverwaltung neben einer wirren Führung der amtlichen Unterlagen vor allem erhebliche Mängel im Verwaltungshandeln feststellen. So stellte sich folgendes heraus:
Der zentrale Ermittlungsdienst der Stadt erhielt von der Stadtkasse einen Antrag auf Aufenthaltsermittlung des (Verwarngeld-)Schuldners. Die zunächst geführten Ermittlungen vor Ort, nämlich dort, wo dieser nach den vorliegenden Unterlagen und einer aktuellen Melderegisterauskunft tatsächlich wohnen sollte, ergaben keinen Hinweis darauf, dass er dort wirklich seinen Wohnsitz hatte.
Daraufhin kam der Ermittlungsdienst auf die Idee, über die erweiterte Melderegisterauskunft die Eltern des Schuldners zu ermitteln. Er bemerkte dabei nicht, dass es zwei Bürger gleichen Namens wie den Schuldner gibt, die jedoch unterschiedliche Geburtsdaten hatten. So wurde erstmals der Verkehrsrowdy mit dem Petenten verwechselt und mit dessen Eltern in Zusammenhang gebracht.
Um festzustellen, ob man den Schuldner unter der Adresse seiner Eltern postalisch erreichen könne, rief der Ermittlungsdienst kurzerhand dort an. Ein Familienmitglied versicherte ehrlich, dass eine entsprechende Person mit dem Namen des Schuldners dort wohne und selbstredend ein an die Eltern adressiertes Schreiben an ihn weitergegeben werden könne. Natürlich wurde bei dem Gespräch das Geburtsdatum nicht verglichen. So nahm das Unheil schließlich seinen Lauf.

Der um Hilfe angerufene Landesbeauftragte konnte das Durcheinander der Verwaltung nur aufgrund des guten Gedächtnisses der Mitarbeiterin des Ermittlungsdienstes entwirren, denn die einzelnen Ermittlungsschritte wurden dort nicht dokumentiert. Lediglich die Tatsache, dass der Schuldner über die angegebene (falsche) Adresse seiner Eltern postalisch erreichbar sei, wurde der Stadtkasse mitgeteilt.
Von einer rechtlich vorgegebenen und nachvollziehbaren Dokumentation des Verwaltungshandelns konnte also keine Rede sein.
Der Landesbeauftragte sorgte in der Stadtkasse dafür, dass die den vermeintlichen "Schuldner" betreffenden personenbezogenen Daten des Petenten und seiner Eltern als falsch gekennzeichnet und nach § 16 Abs. 3 DSG-LSA gesperrt wurden, da eine spurlose Entfernung aus den Akten (Datenlöschung) nicht in Frage kam. Auch eine Entschuldigung gegenüber dem Petenten wurde angeregt.
Dem Ermittlungsdienst wurde aufgegeben, zukünftig ordentlicher zu arbeiten und sein Verwaltungshandeln rechtskonform zu dokumentieren.