VI. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.2001 - 31.03.2003
18.3 Adresssammlungen beim Verwaltungsgericht
Im Rahmen eines Informationsbesuches bei einem Verwaltungsgericht hat der Landesbeauftragte festgestellt, dass in einem Vorzimmer auf einem Einzelplatz-PC seit Einführung einer Software namens "EUREKA" im Jahre 1996 sämtliche Namen und Adressdaten aller seit diesem Zeitpunkt an Verfahren Beteiligten, gleich ob Kläger, Beklagte, Anwälte, Sachverständige, gespeichert waren. Eine Dienstanweisung o.ä., wie mit personenbezogenen Daten umzugehen ist, insbesondere zur Sicherung, Aktualisierung und vor allem Löschung bestand nicht. § 16 Abs. 2 Satz 1 DSG-LSA war nicht im Blick.
Als wäre sie bestellt worden, erreichte den Landesbeauftragten kurze Zeit nach der Prüfung die Beschwerde einer Petentin, nennen wir sie Frau X.
Frau X. erhielt von der Landeszentralkasse in Dessau, welche auch die Buchungen im Bereich der Justiz durchführt, eine Kostenrechnung, welche sie innerhalb von 14 Tagen begleichen sollte. Dieser Betrag sollte durch einen Rechtsstreit zwischen ihr und der Landeshauptstadt Magdeburg begründet sein. Da Frau X. einen solchen Rechtsstreit nicht geführt hatte, teilte sie dies dem zuständigen Verwaltungsgericht mit und legte vorsorglich Widerspruch ein. Daraufhin erhielt sie vom Verwaltungsgericht die Mitteilung, dass der Widerspruch zurückgewiesen werde, da sie wegen eines - vom Verwaltungsgericht beigefügten - Urteils zur Zahlung verpflichtet sei. Dieses Urteil lautete tatsächlich auf den Namen von Frau X. und enthielt auch ihre Adresse. Allerdings war ihr der Prozessinhalt fremd, da es um Wohngeldstreitigkeiten ging, sie aber noch nie Wohngeld beantragt hatte. Nach langem Zureden gelang es ihr doch noch, das Verwaltungsgericht davon zu überzeugen, dass das Urteil an die falsche Person zugestellt worden war.
Nach dieser beunruhigenden Erfahrung beim Umgang mit ihren persönlichen Daten wandte sich Frau X. an den Landesbeauftragten, da sie die Löschung ihrer Daten sicherstellen wollte.
Das zuständige Gericht hatte in der Zwischenzeit die Verwechslung aufklären können und sich bei der Petentin für das Versehen entschuldigt. Darüber hinaus hat der Systemadministrator des Gerichts in diesem Fall für die physikalische Löschung der Daten der Petentin Sorge getragen.
Da die Leitung des Gerichtes nach eigener Prüfung die Rechtsauffassung des Landesbeauftragten teilte, um eine angemessene Klärung der Datenhaltung besorgt war und zudem ankündigte, sich berichtsweise bezüglich der datenschutzrechtlichen Probleme an das Justizministerium wenden zu wollen, konnte von einer Beanstandung abgesehen werden.
Die Prüfungen bei anderen Gerichten wie auch die Beschwerde haben zwei Aspekte deutlich gemacht:
Zum einen werden die Gerichte verstärkt darauf achten müssen, in welchem Umfang sie Daten speichern, verändern oder nutzen. Die Grundregelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 DSG-LSA lässt dies nur zu, soweit solches für die Erfüllung der gerichtlichen Aufgaben erforderlich ist.
Die Speicherung von Klägern und Beklagten steht nicht zur Diskussion, aber ein unbegrenztes Vorhalten der Daten von Personen, die in irgendeiner Weise in einen Prozess involviert waren, entspricht dieser Bestimmung und dem ihr zugrunde liegenden verfassungsrechtlichen Anspruch nicht.
Zudem ist jedes Gericht als öffentliche Stelle verpflichtet, in eigener Verantwortung für eine datenschutzgerechte Bearbeitung von Vorgängen Sorge zutragen. Dies heißt, dass bis zu einer Überarbeitung rechtlich bedenklicher Softwareprodukte u.U. Übergangslösungen gefunden werden müssen.
Zum anderen ist deutlich geworden, dass das zuständige Ministerium § 22 Abs. 4 Satz 2 DSG-LSA missachtet hat. Danach ist der Landesbeauftragte über Planungen des Landes zum Aufbau automatisierter Informationssysteme rechtzeitig zu unterrichten, sofern in ihnen personenbezogene Daten verarbeitet oder genutzt werden sollen. Das bei der Prüfung dem Datenschutzbeauftragten aufgefallene Softwarepaket "EUREKA" stellt ein Verfahren dar, bei welchem der Landesbeauftragte schon lange hätte beteiligt werden müssen. Dies ist bis heute nicht geschehen, obwohl weitere Module der landesweit bei unterschiedlichen Gerichten eingesetzten Software - so etwa im Bereich Vollstreckung - eingeführt werden sollen.
Der Landesbeauftragte weist nachdrücklich auf dieses Unterrichtungsgebot hin.