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VII. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.2003 - 31.03.2005

16.6 Aufbewahrung von Dienstaufsichtsbeschwerden

Bei der Kontrolle einer Polizeidirektion wurden auch Vorgänge zu unbegründeten Dienstaufsichtsbeschwerden über Beamte überprüft.
Im Zimmer des zuständigen Sachbearbeiters fanden sich ca. 30 Aktenordner mit jeweils etwa 20 Dienstaufsichtsbeschwerdevorgängen.
Ausweislich der Auszeichnung auf dem Ordnerrücken reichten die Vorgänge bis 1991 zurück. Aus den Jahren 1993, 1994, 1995 und 1997 fanden sich teilweise mehrere Vorgänge. Einige einzelne Ordner führten gut 20 Beschwerdevorgänge eines einzelnen Beschwerdeführers aus dem letzten Jahrzehnt auf.

Die Notwendigkeit der Aufbewahrung wurde zunächst damit begründet, dass einzelne Beschwerdeführer regelmäßig über lange Jahre Beschwerden einlegen, die überwiegend auf vorherige Vorgänge Bezug nehmen.

Für die sachdienliche Beantwortung sei daher ein Rückgriff auf die vorherigen Vorgänge erforderlich. Zudem sei ein längeres Aufbewahren erforderlich, um Berichtspflichten gegenüber der obersten Landesbehörde Rechnung zu tragen. Gelegentlich seien auch Informationen für den Petitionsausschuss des Landtages zur Verfügung zu stellen.

Der Landesbeauftragte musste die Polizeidirektion darauf hinweisen, dass die Aufbewahrung von Vorgängen zu Dienstaufsichtsbeschwerden zurück bis in das Jahr 1991 datenschutzrechtlich bedenklich ist (vgl. VI. Tätigkeitsbericht, Ziff. 16.5). Die auf den betroffenen Beamten bezogenen Informationen werden in Sachakten geführt. Das Speichern in Sachakten ist nach § 10 Abs. 1 DSG-LSA nur insoweit zulässig, als es zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist und für Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind. Eine Datensammlung auf Vorrat für vorläufig unbestimmte Zwecke ist im Hinblick auf das betroffene Grundrecht verfassungsrechtlich unzulässig (vgl. BVerfGE 65,1). Die Erforderlichkeit der Aufbewahrung von teilweise bis zu über 10 Jahre alten Dienstaufsichtsbeschwerdevorgängen ist nicht ersichtlich. Es ist zwar der Möglichkeit Rechnung zu tragen, dass sich ein Beschwerdeführer mit der Zurückweisung seines Vorbringens evtl. nicht zufrieden gibt und weitere Beschwerden einlegt. Auch kann es im engen zeitlichen Zusammenhang vorkommen, dass der konkrete Sachvorgang Gegenstand einer Berichtspflicht oder einer Zuarbeit für den Petitionsausschuss des Landtages wird. Eine Aufbewahrung erscheint daher insoweit erforderlich, als nach realistischer Einschätzung unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechte und der Fürsorgepflicht gegenüber dem betroffenen Mitarbeiter die Bearbeitung des Vorgangs aus datenschutzrechtlicher Sicht noch nicht vollständig abgeschlossen ist. In ganz besonders gelagerten Einzelfällen kann ggf. berücksichtigt werden, dass ein Beschwerdeführer in regelmäßigen Abständen nach wenigen Monaten erneut Beschwerden vorbringt, wenn sich diese überwiegend inhaltlich auf vorherige Vorgänge beziehen. Grundsätzlich ist jedoch die bloße Möglichkeit, dass in der Folgezeit noch weitere Beschwerden folgen, sei es über den betroffenen Mitarbeiter, sei es vom betroffenen Beschwerdeführer, keine Rechtfertigung für die langfristige Aufbewahrung personenbezogener Informationen.

Auch eine auf die Vorgaben der Aktenordnung abstellende 5-jährige Aufbewahrung entspricht nicht den datenschutzrechtlichen Erfordernissen. Dabei ist zu beachten, dass die Vorgänge Beschwerden enthalten, die entweder unbegründet oder zumindest nicht gerichtsfest nachweisbar sind. Wären die Beschwerden jedoch zunächst als begründet angesehen und in die Personalakte übernommen worden, wären sie bei nachträglicher Erkenntnis der Unbegründetheit unverzüglich aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten (§ 90e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BG LSA). Selbst wenn die Beschwerden begründet gewesen wären, wären die Vorgänge nach Eingang in die Personalakte spätestens nach drei Jahren zu entfernen und zu vernichten (§ 90e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BG LSA). Bedienstete, gegen die unbegründete Vorwürfe erhoben wurden bzw. denen nichts nachzuweisen war, wären also schlechter gestellt als diejenigen, die von begründeten Beschwerden betroffen sind.