IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.1997 - 31.03.1999
21.2.2 Anmerkungen zur Öffentlichkeitsfahndung
Wie bereits vorstehend angesprochen, beabsichtigt der Gesetzgeber mit dem Entwurf des StVÄG 1999 auch, die Öffentlichkeitsfahndung im Strafverfahren auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen.
Den Anforderungen der bereits im III. Tätigkeitsbericht (S. 100 f) erwähnten Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 14./15. März 1995 (Anlage 7 zum III. Tätigkeitsbericht) genügen die vorgesehenen Regelungen des StVÄG 1999 nicht.
Im wesentlichen gilt dies für folgende Punkte:
- Bei der in Art. 1 StVÄG 1999 vorgesehenen Neufassung der §§ 131 bis 131c StPO begnügt sich der Gesetzgeber wieder mit dem dehnbaren Begriff der "Straftat von erheblicher Bedeutung". Auf einen Straftatenkatalog oder vergleichende Kriterien, die eine Öffentlichkeitsfahndung auch bei anderen Straftaten erlauben würden, wird gänzlich verzichtet.
- Bei den weiteren Voraussetzungen für eine Öffentlichkeitsfahndung genügt - entgegen der Forderung der Datenschutzbeauftragten - bereits eine wesentliche Erschwernis der Ermittlungen, um bei Beschuldigten, vor allem aber bei Zeugen, in schwerwiegender Weise in deren Persönlichkeitsrechte einzugreifen.
- Eine im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit notwendige Abstufung und die Beschränkung hinsichtlich des Verbreitungsgebietes von Öffentlichkeitsfahndungen sowie des Mediums wurde vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen.
Auch Forderungen, wie ein ausschließlicher Richtervorbehalt bei der Öffentlichkeitsfahndung nach Zeugen und für die Fahndung nach Beschuldigten ausnahmsweise eine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft bei Gefahr in Verzug, blieben unbeachtet.
Statt dessen muß nun jeder Bundesbürger damit rechnen, daß selbst eine große Öffentlichkeitsfahndung nach ihm als Zeuge künftig von Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft angeordnet werden kann, wenn dies im Gesetzgebungsverfahren nicht noch geändert wird.
Bleiben die derzeit unzulänglichen Schutzregelungen in den §§ 131 und 131c des Gesetzentwurfes bestehen, drohen weitere Rechtsbeeinträchtigungen:
So sollen die Vorschriften zur Öffentlichkeitsfahndung nach der Begründung des Gesetzentwurfes auch für Öffentlichkeitsfahndungen im Internet gelten. Damit wird der derzeitige Rechtszustand sogar verschlechtert, wonach bei Fahndungen im Internet zumindest die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Datenübermittlung ins Ausland vorliegen müssen.
Völlig unberücksichtigt sind auch die vielfältigen technischen Mißbrauchsmöglichkeiten im Internet. Namen und Bilder von Beschuldigten und Zeugen können von interessierter Seite beliebig verändert werden. Der Landesbeauftragte erinnert in diesem Zusammenhang besonders daran, daß jeder Nutzer des Internet Informationen, wie z.B. Personenfahndungen, auf seinen Rechner herunterladen kann. Das heißt, selbst wenn Öffentlichkeitsfahndungen im Internet als falsch oder gegenstandslos zurückgezogen werden oder der zuständige Richter die Voraussetzungen für die Öffentlichkeitsfahndung nicht gegeben sieht, bestehen keine technischen Möglichkeiten mehr, Fahndungsaufrufe, die auf jedem PC, in jedem Winkel der Welt gespeichert sein können, zu revidieren.
Deshalb hält es der Landesbeauftragte geradezu für unverantwortlich, Öffentlichkeitsfahndungen im Internet durch Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft anordnen zu lassen. Vielmehr muß die Fahndung in diesem Medium die absolute Ausnahme sein und einem strengen Richtervorbehalt unterliegen.