VII. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.2003 - 31.03.2005
18.12 Insolvenzbekanntmachungen
Wie dem Landesbeauftragten beim Einsehen der entsprechenden Internetangebote des elektronischen Bundesanzeigers sowie von „Insolvenzbekanntmachungen.de” (diese Seite wird von sachsen-anhaltischen Gerichten noch nicht genutzt) deutlich geworden ist, werden ohne Bedenken weiterhin Personen, u.a. mit ihrem Namen, im Internet an den (Schulden-) Pranger gestellt.
Bereits im vorherigen Tätigkeitsbericht hatte der Landesbeauftragte an mehreren Stellen darauf hingewiesen, dass die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten im Internet im Vergleich zur Veröffentlichung in anderen Medien eine vollkommen andere Qualität erhält. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn die Wirksamkeit dieser öffentlichen Darstellung von Menschen zeitlich begrenzt sein soll. Es ist naiv zu glauben, man könne die Nutzung von im Internet bereitgestellten Informationen durch rechtsstaatliche Normen in ihrer Auswirkung auf die Betroffenen begrenzen oder gar rückgängig machen, als könnten die veröffentlichten Insolvenzinformationen in irgendeiner Weise zurückgeholt werden (vgl. auch VI. Tätigkeitsbericht, Ziff. 18.11).
Wenig verständlich ist auch jene durch die Nichtrückholbarkeit der personenbezogenen Informationen entstehende faktische Gleichbehandlung der von Insolvenz Betroffenen mit Verdächtigen, welche wegen schwerster Delikte unter Zuhilfenahme des Internets gesucht werden. Diese gleichartige Grundrechtsbeeinträchtigung wird den Betroffenen zugemutet, unabhängig davon, wie groß ihr eigener Anteil an ihrer wirtschaftlich kritischen Lage ist.
Nicht nachvollziehbar ist es, wenn in den entscheidenden Vorschriften der Anschein erweckt wird, man könne die Kopierbarkeit von auf diesem Weg übermittelten Informationen begrenzen. Es stellt sich die Frage, wie es zu den Regelungen von § 9 Abs. 2 Satz 3 InsO, § 2 Abs. 1 Satz 3 Insolvenzbekanntmachungsverordnung kommen konnte. In diesen Regelungen wird verlangt, dass nach dem Stand der Technik sicherzustellen sei, dass Insolvenzinformationen nicht von Dritten kopiert werden können. Angesichts der technischen Gegebenheiten scheint dies eine nicht umsetzbare Forderung zu sein.
Noch widersprüchlicher wird der Eindruck, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass Insolvenzveröffentlichungen selbst ohne den in diesen Bestimmungen geforderten Minimalschutz bereits erfolgen. Tatsächlich ist dies keine graue Theorie. Denn wie der „Blick” auf die eingangs genannten Seiten zeigte, war noch nicht einmal der von Gesetzes wegen zu gewährleistende Kopierschutz in der digitalen Welt verwirklicht. Schon durch die Funktion „Kopieren/Einfügen” war es möglich u.a. Namen und Anschrift der Betroffenen zu beschaffen. Fraglich ist nur, ob dies in irgendeiner Weise vorwerfbar ist. Bekanntlich kann im Rechtsstaat auch von ausführenden Behörden und deren Bediensteten nichts Unmögliches - wie z.B. ein verlässlicher Kopierschutz für Internetangebote - gefordert werden.
Zumindest die einfache Form der Kopierbarkeit hätte jedoch nach dem Stand der Technik ausgeschlossen werden können; z.B. durch Verwendung von Bilddateien statt Textformaten.
Konsequent wäre einzig die Rückkehr zur Papierform. Diese kann zwar gleichfalls digitalisiert werden, aber mit deutlich erhöhtem Aufwand.
Daneben besteht noch die Möglichkeit, verfahrensrechtlich u.a. die Nutzbarkeit der Informationen zu beschränken (Verwertungsverbot) und nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens die Nutzung der Daten eindeutiger als bisher unter Strafe zu stellen. Dies könnte zumindest innerhalb Deutschlands eine gewisse Schutzwirkung entfalten.
Eine Begrenzung der weiten Verbreitung personenbezogener (Insolvenz-) Daten natürlicher Personen ist notwendig. Eine Anpassung der Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes zur geschäftsmäßigen Datenerhebung und -speicherung zum Zwecke der Übermittlung erscheint dem Landesbeauftragten auch bedenkenswert, wenn Gläubigerinteressen dadurch berührt werden.
Es ist kaum nachvollziehbar, warum wirtschaftliche Interessen es erlauben sollen, das nicht einschränkbare Grundrecht der Menschenwürde in seiner Wirkung zu beeinträchtigen. Auch der Schutz des Eigentums auf Seiten der Gläubiger kann den tatsächlich zeitlich nicht begrenzten Eingriff in grundrechtliche Positionen der Betroffenen nicht rechtfertigen.
Der Landesbeauftragte hält eine Überprüfung dieser Situation für geboten und fordert die Landesregierung auf, das ihr Mögliche in der Umsetzung wie auch in der Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren zu initiieren, um weitere Beeinträchtigungen von Betroffenen zu verringern.