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Entschließung  der 43. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 23./24. März 1992 in Baden-Württemberg

Arbeitnehmerdatenschutz

I. Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses werden personenbezogene Daten aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen des Arbeitnehmers erhoben und gespeichert. Diese Daten verwendet der Arbeitgeber nicht nur für eigene Zwecke. Aus dem Arbeitsverhältnis ergeben sich auch Auskunft-, Bescheinigungs- und Meldepflichten, die der Arbeitgeber gegenüber öffentlichen Stellen zu erfüllen hat. Durch die Möglichkeit, im Arbeitsverhältnis anfallende personenbezogene Daten miteinander zu verknüpfen und sie - losgelöst vom Erhebungszweck - für andere Verwendungen zu nutzen, entstehen Gefahren für das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Mit der Intensität der Datenverarbeitung, insbesondere durch Personalinformationssysteme und digitale Telekommunikationsanlagen, nehmen die Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten des Arbeitgebers zu.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordern deshalb bereits seit 1984 bereichsspezifische und präzise gesetzliche Bestimmungen zum Arbeitnehmerdatenschutz. Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung haben ebenfalls eine Regelungsnotwendigkeit bejaht; gleichwohl stehen bundesgesetzliche Regelungen über den allgemeinen Arbeitnehmerdatenschutz immer noch aus. Die Notwendigkeit zur gesetzlichen Regelung besteht unabhängig davon, ob Arbeitnehmerdaten in automatisierten Dateien, in Akten oder in sonstigen Unterlagen verarbeitet werden. Der erhöhten Gefährdung durch die automatisierte Datenverarbeitung ist durch spezifische Schutzvorschriften Rechnung zu tragen.

Angesichts der besonderen Abhängigkeit des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis und während der Phase einer Bewerbung um einen Arbeitsplatz ist durch Gesetz zu untersagen, daß Rechte, die dem Arbeitnehmer nach einschlägigen Datenschutzvorschriften zustehen, durch Rechtsgeschäft, Tarifvertrag und Dienst- oder Betriebsvereinbarung ausgeschlossen werden. Außerdem ist durch Gesetz festzulegen, daß eine Einwilligung des Arbeitnehmers oder Bewerbers nur dann als Grundlage einer Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung in Frage kommt, wenn die Freiwilligkeit der Einwilligung sichergestellt ist, also die Einwilligung ohne Furcht vor Nachteilen verweigert werden kann. Deshalb dürfen allein aufgrund einer Einwilligung z.B. keine Gesundheitszeugnisse, Ergebnisse von Genomanalysen u.ä. angefordert werden, wenn sie den Rahmen des Fragerechts des Arbeitgebers überschreiten.

II. Die gesetzliche Ausgestaltung des Arbeitnehmerdatenschutzes muß insbesondere folgende Grundsätze beachten:

  1. Die Datenerhebung muß grundsätzlich beim Arbeitnehmer erfolgen.
  2. Der Arbeitgeber darf Daten des Arbeitnehmers - auch durch Befragen des Arbeitnehmers oder Bewerbers - nur erheben, verarbeiten oder nutzen, soweit dies zur Eingehung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Arbeitsverhältnisses erforderlich oder sonst gesetzlich vorgesehen ist. Dabei ist der Grundsatz der Zweckbindung zu beachten. Auch ist zwischen der Bewerbungs- und Einstellungsphase zu unterscheiden.
  3. Der Arbeitgeber darf Daten, die er aufgrund gesetzlicher Vorgaben für andere Stellen (z.B. Sozialversicherungsträger) erheben muß, nur für diesen Zweck verwenden.
  4. Eine Datenauswertung und -verknüpfung, die zu Herstellung eines umfassenden Persönlichkeitsprofils des Arbeitnehmers führen kann, ist unzulässig.
  5. Beurteilungen und Personalauswahlentscheidungen dürfen nicht allein auf Informationen gestützt werden, die unmittelbar durch automatisierte Datenverarbeitung gewonnen werden.
  6. Notwendige Datenübermittlungen zwischen Arzt und Arbeitgeber sind eindeutig zu regeln. Dem Arbeitgeber darf grundsätzlich nur das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus dürfen ihm - soweit erforderlich - nur tätigkeitsbezogene Risikofaktoren mitgeteilt werden. Medizinische und psychologische Befunde sind getrennt von den übrigen Personalunterlagen aufzubewahren. Die Ergebnisse medizinischer oder psychologischer Untersuchungen und Tests des Beschäftigten dürfen automatisiert nur verarbeitet werden, wenn dies dem Schutz des Beschäftigten dient.
  7. Dem Arbeitnehmer sind umfassende Auskunfts- und Einsichtsrechte in die Unterlagen einzuräumen, die sein Arbeitsverhältnis betreffen. Diese Rechte müssen sich auch auf Herkunft, Verarbeitungszwecke und Empfänger der Daten sowie die Art und Weise ihrer Auswertung erstrecken.
  8. Dem Personal-/Betriebsrat muß ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung, Anwendung und der wesentlichen Änderung von automatisierten Dateien mit personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer für Zwecke der Personalverwaltung zustehen. Das gilt auch bei sonstigen technischen Einrichtungen, mit denen das Verhalten und die Leistung der Beschäftigten überwacht werden kann.
  9. Gesetzlich festzulegen ist, welche Daten der Arbeitnehmervertretung für ihre Aufgabenerfüllung zugänglich sein müssen und wie der Datenschutz bei der Verarbeitung von Arbeitnehmerdaten im Bereich der Arbeitnehmervertretung gewährleistet wird. Regelungsbedürftig ist auch das Verhältnis zwischen dem Personal-/Betriebsrat und dem behördlichen/betrieblichen Datenschutzbeauftragten.
  10. Die Befugnis des Personal-/Betriebsrats, sich unmittelbar an die Datenschutzkontrollinstanzen zu wenden, ist gesetzlich klarzustellen.
  11. Arbeitnehmerdaten dürfen nur dann ins Ausland übermittelt werden, wenn dort ein dem deutschen Recht vergleichbarer Datenschutzstandard gewährleistet ist oder wenn der Betroffene nach den oben genannten Grundsätzen (vgl. Abschn. I Abs. 4) eingewilligt hat.