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Entschließung der 49. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 9./10. März 1995 in Bremen

Aufbewahrungsbestimmungen und Dateiregelungen im Justizbereich

Bisher ist der Gesetzgeber im Bereich der Justiz den verfassungsrechtlichen Forderungen nach ausreichenden normenklaren Regelungen über die Aufbewahrung von Akten und die Speicherung personenbezogener Daten in Dateien nicht nachgekommen. So enthalten z.B. die bislang bekannt gewordenen Entwürfe zu einem Strafverfahrensänderungsgesetz nur unzureichende Generalklauseln. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder *) erklärt deshalb:

  1. Aufbewahrung, Aussonderung und Vernichtung der Akten und die Speicherung personenbezogener Daten in Dateien im Bereich der Justiz müssen nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts im Volkszählungsurteil für die Gerichte, Staatsanwaltschaften und Strafvollzugsbehörden gesetzlich geregelt werden, wobei sich die Aufbewahrungsdauer am Recht auf informationelle Selbstbestimmung und am Zweck der Speicherung zu orientieren hat.
    Hierbei hat der Gesetzgeber die grundlegenden Entscheidungen zur Aufbewahrungsdauer selbst zu treffen. Aufgrund einer hinreichend konkreten Verordnungsermächtigung können die Einzelheiten durch Rechtsverordnung bestimmt werden.

  2. Die derzeit bestehenden Aufbewahrungsfristen sind konsequent zu vereinfachen und zu verkürzen. Soweit geboten sind Verkürzungen vorzunehmen.

  3. Die derzeit geltende generelle 30-jährige Aufbewahrungsfrist für Strafurteile und Strafbefehle mit der Folge der umfassenden Verfügbarkeit der darin enthaltenen Informationen ist nicht angemessen. Bei der Bemessung der Aufbewahrungsfrist von Strafurteilen und Strafbefehlen sowie für die Bestimmung des Zeitpunkts der Einschränkung der Verfügbarkeit ist vielmehr nach Art und Maß der verhängten Sanktionen zu differenzieren.
    Bei der Festlegung des Beginns der Aufbewahrungsfrist sollte - abweichend von der bisherigen Praxis, nach der es auf die Weglegung der Akte ankommt - regelmäßig auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der ergangenen gerichtlichen Entscheidung abgestellt werden.
    Ergeht keine rechtskraftfähige Entscheidung, so sollte die Aufbewahrungsfrist mit dem Erlaß der Abschlußverfügung beginnen.

  4. Wird der Akteninhalt auf Bild- oder Datenträgern, die an die Stelle der Urschrift treten, aufbewahrt, so sind gleichwohl unterschiedliche Löschungsfristen für einzelne Aktenteile zu beachten. Aus datenschutzrechtlicher Sicht sind Datenträger zu wählen, die eine differenzierte Löschung gewährleisten. Ist bei Altbeständen eine teilweise Aussonderung technisch nicht möglich oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu bewerkstelligen, so hat eine Sperrung der an sich auszusondernden Teile zu erfolgen.

  5. Sind in einer Akte Daten mehrerer beteiligter Personen gespeichert, so ist eine Sperre hinsichtlich solcher Aktenteile, die einzelne beteiligte Personen betreffen, vorzusehen, wenn diese Aktenteile eigentlich ausgesondert werden müßten, aus praktischen Gründen aber keine Vernichtung erfolgen kann.

  6. Bei Freisprüchen und Einstellungen des Verfahrens wegen Wegfalls des Tatverdachts ist dafür Sorge zu tragen, daß ein Zugriff auf die automatisiert gespeicherten Daten nur noch zu Zwecken der Aktenverwaltung erfolgen kann.

  7. Für die Daten von Nebenbeteiligten (z.B. Anzeigeerstatter, Geschädigte) ist eine vorzeitige Löschung vorzusehen. Hinsichtlich der Hauptbeteiligten sollte eine Teillöschung der Personen- und Verfahrensdaten stattfinden, sobald die voll ständigen Daten zur Durchführung des Verfahrens nicht mehr erforderlich sind.

  8. Soweit Daten verschiedener Gerichtszweige oder verschiedener speichernder Stellen in gemeinsamen Systemen verarbeitet werden, ist durch rechtliche, technische und organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, daß die Zweckbindung der gespeicherten Daten beachtet wird.

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*) Bei Stimmenthaltung von Hamburg