Menu
menu

Entschließung der 50. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 9./10. November 1995 in Bremen

Forderungen an den Gesetzgeber zur Regelung der Übermittlung personenbezogener Daten durch die Ermittlungsbehörden an die Medien (außerhalb der Öffentlichkeitsfahndung der Ermittlungsbehörden)

  1. Für die Übermittlung von personenbezogenen Daten durch Justiz und Polizei an die Medien sollte eine bereichsspezifische Rechtsgrundlage geschaffen werden. Die Regelung sollte für den betroffenen Bürger den Umfang des Eingriffs in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung erkennbar machen.

  2. Die Übermittlung personenbezogener Daten an die Medien ist nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn das Verfahren gerade im Hinblick auf die Person des Betroffenen oder die besonderen Umstände der Tat für die Öffentlichkeit von überwiegendem Interesse ist.

  3. Bei der Entscheidung, ob und in welchem Umfang personenbezogene Daten an die Medien übermittelt werden, sind die schutzwürdigen Belange der Betroffenen zu berücksichtigen. Dazu zählen insbesondere die privaten und beruflichen Folgen für das Opfer, den Beschuldigten/Angeklagten und deren Angehörige sowie die Schwere, die Umstände und die Folgen des Delikts.
    Bei der Übermittlung von personenbezogenen Daten über Beschuldigte/Angeklagte sind auch der Grad des Tatverdachts und der Stand des Verfahrens zu berücksichtigen. Vor Beginn der öffentlichen Hauptverhandlung ist ein besonders strenger Maßstab an das Vorliegen eines "überwiegenden Interesses" der Öffentlichkeit anzulegen.
    Bis zur rechtskräftigen Verurteilung ist die Unschuldsvermutung zugunsten des Beschuldigten oder Angeklagten zu beachten. Zu unterlassen sind alle Auskünfte oder Erklärungen, die geeignet sind, die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten zu beeinträchtigen. Akteneinsicht durch Medienvertreter kommt nicht in Betracht.

  4. Grundsätzlich sind in Auskünfte und Erklärungen über das Ermittlungs- und Strafverfahren keine Namen und sonstige personenbezogene Angaben, die Opfer von Straftaten, Zeugen, Beschuldigte und Angeklagte bestimmbar machen, aufzunehmen. Vor allem bei Hinweisen auf den Wohnort, das Alter, den Beruf und die familiären Verhältnisse oder sonstigen sozialen Bindungen (z. B. Partei- oder Vereinsmitgliedschaft) ist zu prüfen, inwieweit dadurch eine Identifizierung des Betroffenen möglich wird.

  5. Personenbezogene Daten dürfen nicht übermittelt werden, wenn besondere bundesgesetzliche oder landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

  6. Ist die Bekanntgabe der Person des Beschuldigten oder Angeklagten wegen des überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt, muß auch bei der Übermittlung sonstiger personenbezogener Daten abgewogen werden, ob diese Informationen für die Berichterstattung über die Tat selbst oder die Hintergründe, die zu der Tat geführt haben, erforderlich sind und in welchem Umfang der Betroffene dadurch in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird.

  7. Die Bekanntgabe von Vorstrafen ist nur ausnahmsweise zulässig. Sie setzt voraus, daß die frühere Verurteilung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt und ihre Kenntnis für eine nachvollziehbare Berichterstattung über eine schwerwiegende Straftat - auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen und des Resozialisierungsgedankens - erforderlich ist. Besondere Zurückhaltung ist bei Auskünften und Erklärungen über Sachverhalte geboten, die der früheren Verurteilung zugrunde liegen.

  8. Wegen des überragenden Schutzes von Minderjährigen und Heranwachsenden ist bei Auskünften und Erklärungen über Verfahren gegen diesen Personenkreis besondere Zurückhaltung hinsichtlich der Bekanntgabe personenbezogener Daten zu wahren.

  9. Opfer, Zeugen und Familienangehörige haben in der Regel keine Veranlassung gegeben, daß ihre persönlichen Lebensumstände in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Die Übermittlung personenbezogener Daten über diesen Personenkreis an die Medien kommt deshalb grundsätzlich nicht in Betracht.

  10. Bildveröffentlichungen greifen wegen der damit verbundenen sozialen Prangerwirkung besonders tief in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein. Eine Bildherausgabe kommt daher für Zwecke der Medienberichterstattung nicht in Betracht.