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52. Kon­fe­renz der Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten des Bun­des und der Län­der am 22./23. Ok­to­ber 1996 in Ham­burg

Ein­griffs­be­fug­nis­se zur Straf­ver­fol­gung im Informations-​ und Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­reich

Die Ent­wick­lung mo­der­ner Informations-​ und Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­ni­ken führt zu einem grund­le­gend ver­än­der­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­hal­ten der Bür­ger.

Die Pri­va­ti­sie­rung der Netze und die weite Ver­brei­tung des Mo­bil­funks geht ein­her mit einer weit­rei­chen­den Di­gi­ta­li­sie­rung der Kom­mu­ni­ka­ti­on. Mail­bo­xen und das In­ter­net prä­gen die In­for­ma­ti­ons­ge­win­nung und -​verbreitung von Pri­vat­leu­ten, von Un­ter­neh­men und öf­fent­li­chen In­sti­tu­tio­nen glei­cher­ma­ßen.

Neue Diens­te wie Tele-​Working, Tele-​Banking, Tele-​Shopping, di­gi­ta­le Vi­deo­diens­te und Rund­funk im In­ter­net sind ein­fach über­wach­bar, weil per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten der Nut­zer in di­gi­ta­ler Form vor­lie­gen. Die her­kömm­li­chen Be­fug­nis­se zur Über­wa­chung des Fern­mel­de­ver­kehrs er­hal­ten eine neue Di­men­si­on; weil immer mehr per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten elek­tro­nisch über­tra­gen und ge­spei­chert wer­den, kön­nen sie mit ge­rin­gem Auf­wand kon­trol­liert und aus­ge­wer­tet wer­den. Dem­ge­gen­über ste­hen je­doch auch Ge­fah­ren durch die Nut­zung der neuen Tech­nik zu kri­mi­nel­len Zwe­cken. Die Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten er­ken­nen an, daß die Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den in die Lage ver­setzt wer­den müs­sen, sol­chen miß­bräuch­li­chen Nut­zun­gen der neuen Tech­ni­ken zu kri­mi­nel­len Zwe­cken wirk­sam zu be­geg­nen.

Sie be­to­nen je­doch, daß die her­kömm­li­chen weit­rei­chen­den Ein­griffs­be­fug­nis­se auch unter we­sent­lich ver­än­der­ten Be­din­gun­gen nicht ein­fach auf die neuen For­men der Individual-​ und Mas­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on über­tra­gen wer­den kön­nen. Die zum Schutz der Per­sön­lich­keits­rech­te des ein­zel­nen ge­zo­ge­nen Gren­zen müs­sen auch unter den ge­än­der­ten tat­säch­li­chen Be­din­gun­gen der Ver­wen­dung der mo­der­nen In­for­ma­ti­ons­tech­no­lo­gien auf­recht­erhal­ten und ge­währ­leis­tet wer­den. Eine Wahr­heits­fin­dung um jeden Preis darf es auch in­so­weit nicht geben. Die Kon­fe­renz der Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten des Bun­des und der Län­der hat daher The­sen zur Be­wäl­ti­gung die­ses Span­nungs­ver­hält­nis­ses ent­wi­ckelt.

Sie hebt ins­be­son­de­re den Grund­satz der spu­ren­lo­sen Kom­mu­ni­ka­ti­on her­vor. Kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­te­me müs­sen mit per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten mög­lichst spar­sam um­ge­hen. Daher ver­die­nen sol­che Sys­te­me und Tech­no­lo­gien Vor­rang, die keine oder mög­lichst we­ni­ge Daten zum Be­trieb be­nö­ti­gen. Ein po­si­ti­ves Bei­spiel ist die Te­le­fon­kar­te, deren Nut­zung keine per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten hin­ter­läßt und die des­halb für an­de­re Be­rei­che als Vor­bild an­ge­se­hen wer­den kann. Daten al­lein zu dem Zweck einer künf­tig denk­ba­ren Straf­ver­fol­gung be­reit­zu­hal­ten ist un­zu­läs­sig.

Bei di­gi­ta­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men läßt sich an­hand der Bestands-​ und Ver­bin­dungs­da­ten nach­voll­zie­hen, wer wann mit wem kom­mu­ni­ziert hat, wer wel­ches Me­di­um ge­nutzt hat und damit wer wel­chen welt­an­schau­li­chen, re­li­giö­sen und sons­ti­gen per­sön­li­chen In­ter­es­sen und Nei­gun­gen nach­geht. Eine staat­li­che Über­wa­chung die­ser Vor­gän­ge greift tief in das Per­sön­lich­keits­recht der Be­trof­fe­nen ein und be­rührt auf emp­find­li­che Weise die In­for­ma­ti­ons­frei­heit und den Schutz be­son­de­rer Ver­trau­ens­ver­hält­nis­se (z. B. Arzt­ge­heim­nis, an­walt­li­ches Ver­trau­ens­ver­hält­nis). Die Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten for­dern daher, daß der Ge­setz­ge­ber die­sen Ge­sichts­punk­ten Rech­nung trägt.

Die Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten wen­den sich nach­hal­tig da­ge­gen, daß den Nut­zern die Ver­schlüs­se­lung des In­halts ihrer Nach­rich­ten ver­bo­ten wird. Die Mög­lich­keit für den Bür­ger, seine Kom­mu­ni­ka­ti­on durch ge­eig­ne­te Maß­nah­men vor un­be­rech­tig­ten Zu­grif­fen zu schüt­zen, ist ein tra­di­tio­nel­les ver­fas­sungs­recht­lich ver­bürg­tes Recht.

Aus Sicht des Da­ten­schut­zes be­steht an­de­rer­seits durch­aus Ver­ständ­nis für das In­ter­es­se der Sicherheits-​ und Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den, sich recht­lich zu­läs­si­ge Zu­griffs­mög­lich­kei­ten nicht da­durch ver­sper­ren zu las­sen, daß Ver­schlüs­se­lun­gen ver­wandt wer­den, zu denen sie kei­nen Zu­griff haben. Eine Re­gle­men­tie­rung der Ver­schlüs­se­lung, z.B. durch Schlüs­sel­hin­ter­le­gung, er­scheint aber aus der­zei­ti­ger tech­ni­scher Sicht kaum durch­setz­bar, da ent­spre­chen­de staat­li­che Maß­nah­men - ins­be­son­de­re im welt­wei­ten Da­ten­ver­kehr - oh­ne­hin leicht zu um­ge­hen und kaum kon­trol­lier­bar wären.