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Entschließung der 72. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 26. - 27. Oktober 2006 in Naumburg

Verfassungsrechtliche Grundsätze bei Antiterrordatei-Gesetz beachten

Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (Gemeinsame-Dateien-Gesetz-BT-Drs. 16/2950) - verschärft durch Forderungen aus dem Bundesrat - sollen in der Bundesrepublik Deutschland erstmals die rechtlichen Grundlagen für die Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten geschaffen werden. Von besonderer Bedeutung ist die beim Bundeskriminalamt zur Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus einzurichtende Antiterrordatei, in welcher umfangreiches Datenmaterial der beteiligten Sicherheitsbehörden zusammengeführt werden soll.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder verkennt nicht die zur Begründung des Gesetzentwurfs geltend gemachte hohe Bedrohung durch den internationalen Terrorismus und die Notwendigkeit zur Optimierung des Informationsaustauschs. Jede Intensivierung der informationellen Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten muss jedoch den verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem - in einigen Landesverfassungen ausdrücklich genannten - Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten entsprechen.
Der vorliegende Entwurf zur Antiterrordatei enthält schwerwiegende verfassungs- und datenschutzrechtliche Risiken.
Insbesondere den folgenden brisanten Aspekten wird im Rahmen der anstehenden parlamentarischen Beratungen besondere Beachtung zu schenken sein:

  • Die Anti-Terror-Datei sieht gravierende Erweiterungen des Datenaustauschs vor. Deshalb ist zumindest eine weitergehende Präzisierung der zu erfassenden Personen erforderlich. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Nachrichtendienste in der Antiterrordatei auch Personen erfassen, bei denen nur auf weichen Informationen beruhende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Zuordnung zum internationalen Terrorismus bestehen. Diese Anhaltspunkte können auf legalem Verhalten beruhen, mit der Folge, dass auch unbescholtene Personen in der Antiterrordatei erfasst werden und deren Daten allen zugriffsberechtigten Behörden zur Verfügung stehen. Dass im Bereich der Vorfeldermittlungen ein besonders hohes Risiko einer Fehlprognose besteht, ist auch bereits verfassungsgerichtlich festgestellt.
  • Die Definition der in der Datei zu erfassenden sog. Kontaktpersonen muss präzisiert werden und der Kreis der Betroffenen ist einzuschränken. Dies gilt insbesondere für solche Kontaktpersonen, gegen die keinerlei belastende Erkenntnisse vorliegen. Es muss sichergestellt werden, dass nicht bereits unverdächtige soziale Kontakte zu einer Erfassung von Personen aus dem Umfeld Verdächtigter führen.
  • Die Aufnahme besonderer Bemerkungen, ergänzender Hinweise und Bewertungen in Freitextform eröffnet den am Verbund teilnehmenden Behörden die Möglichkeit, eine Vielzahl, auch weicher personenbezogener Informationen (z.B. nicht überprüfte Hinweise oder Vermutungen) ohne Bindung an hinreichend konkrete Festlegungen des Gesetzgebers in der Datei zu erfassen. Deshalb sollte darauf verzichtet werden.
  • In diesem Zusammenhang ist auch der Zugriff von Polizeibehörden auf Vorfelderkenntnisse der Nachrichtendienste im Hinblick auf das Trennungsgebot kritisch zu hinterfragen. Besonders bedenklich erscheint dabei die Zulassung von Ausnahmen vom verfassungsrechtlichen Trennungsgebot in den sog. Eilfällen, in welchen den beteiligten Behörden ein unmittelbarer Online-Zugriff auf alle Daten gestattet wird.
  • Die zugriffsberechtigten Sicherheitsbehörden sind nicht klar genug bezeichnet. Aufgrund der Speicherung auch höchst sensibler personenbezogener Vorfelddaten muss der Gesetzgeber aus rechtsstaatlichen Gründen selbst festlegen, welche Stellen zugriffsberechtigt sein sollen.
  • Im Übrigen sind auch die bereits jetzt erkennbaren Tendenzen zu einer Erweiterung der Antiterrordatei über die Terrorismusbekämpfung hinaus nicht akzeptabel. Dies gilt insbesondere für die im Gesetzentwurf vorgesehene Nutzung der Datei im Rahmen der Strafverfolgung. Es darf nicht zu einer immer niedrigeren Eingriffsschwelle kommen.