Entschließung der 74. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 25. bis 26. Oktober 2007
Nein zur Online-Durchsuchung
Der Computer hat im täglichen Leben der meisten Menschen eine zentrale Bedeutung für die Aufbewahrung und Gestaltung privatester Informationen, wie Fotografien, Reiseberichte, Tagebuchaufzeichnungen, persönliche Briefe, Eindrücke, Vorstellungen und Gefühle. Die heimliche Online-Durchsuchung führt deshalb zu erheblichen Eingriffen in Grundrechte (informationelles Selbstbestimmungsrecht, Unverletzlichkeit der Wohnung, Telekommunikationsgeheimnis usw.). Die Installation von Überwachungssoftware etwa mit Hilfe des Internets oder die Versendung von E-Mails unter dem Namen einer anderen Behörde wird erwogen, sogar das unbemerkte Eindringen in Wohnungen zu diesem Zweck wird nicht ausgeschlossen.
Bei dem geforderten heimlichen Zugriff auf informationstechnische Systeme geht es nicht nur um "Online-Durchsicht" als einmalige Durchsuchung und die damit verbundene Übertragung von Festplatteninhalten an die Strafverfolgungs- oder Sicherheitsbehörden, sondern auch um die anhaltende Überwachung, um das Ausspähen von Passworten und die Protokollierung aller elektronischen Aktivitäten. Auch sollen andere Kommunikations- und Datenverarbeitungssysteme, wie Computernetze, Mobiltelefone, PDA usw. in die heimliche Durchsuchung einbezogen werden. Dabei ist die Feststellung des Computers einer Zielperson technisch ohne Zusatzinformationen nicht ohne weiteres möglich. Die Gefahr ist daher sehr groß, dass von einer solchen Maßnahme eine Vielzahl von - auch unverdächtigen - Nutzerinnen und Nutzern betroffen sein werden.
Es steht fest, dass sich der unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung bei Online-Durchsuchungen durch technische Mittel bei der Datenerhebung nicht schützen lässt. Ein automatisierter Kernbereichsschutz ist somit nicht realisierbar.
Darüber hinaus wird eingeräumt, dass sich mit Hilfe der entsprechenden Software die auf den Festplatten gespeicherten Inhalte manipulieren ließen, was die Beweiseignung der gewonnenen Erkenntnisse und damit - jedenfalls bei der Verfolgung von Straftaten - die Geeignetheit der Online-Durchsuchung in Frage stellt.
Derzeit wird zwar versichert, dass der Einsatz nur auf die Bekämpfung des Terrorismus sowie die Verfolgung schwerster Straftaten und insgesamt auf wenige Fälle beschränkt wird. Die Erfahrungen zeigen aber, dass solche Beschränkungen nicht von langer Dauer sein werden. So begründen z.B. die drohende Aufweichung der Zweckbindung der Mautdaten und die Entwicklung der Telekommunikationsüberwachung die Befürchtung, dass Online-Durchsuchungen entsprechend dem technischen Fortschritt als Standardmaßnahme künftig auch bei Gefahren und Straftaten von geringerer Bedeutung eingesetzt werden. Zudem ist davon auszugehen, dass Terrorverdächtige Mittel und Wege finden werden, durch geeignete Gegenmaßnahmen eine erfolgreiche Online-Durchsuchung zu verhindern. Die heimliche Online-Durchsuchung führt deshalb voraussichtlich nicht zu mehr Sicherheit, aber sicher zur Einschränkung der Freiheit.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bekräftigen daher ihre im Rahmen der 73. Konferenz im März 2007 erhobene Forderung an die Bundesregierung, die Landesregierungen und die Parlamente, auf die Einführung der repressiven und präventiven Online-Durchsuchung zu verzichten.
Sie halten es für zwingend notwendig, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dem Verfahren gegen die Online-Durchsuchung im Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalens abgewartet wird.