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Entschließung der 74. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 25. bis 26. Oktober 2007

Zentrale Steuerdatei droht zum Datenmoloch zu werden

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hält es für inakzeptabel, dass die Bundesregierung mit dem Jahressteuergesetz 2008 im Schnelldurchgang ohne ausführliche parlamentarische Beratung die beim Bundeszentralamt für Steuern aufzubauende zentrale Steuerdatei um zusätzliche - teilweise sensible - Daten anreichern will. Zugleich droht die Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) bereits vor ihrer endgültigen Einführung zu einem allgemeinen Personenkennzeichen zu werden.
Der Gesetzentwurf sieht die Ablösung des Lohnsteuerkartenverfahrens durch ein elektronisches Abrufverfahren (ElsterLohn II) ab 2011 vor. Bereits am 9. November 2007 soll das Gesetz abschließend im Bundestag beraten werden. Geplant ist unter anderem, die in Zusammenhang mit der seit dem 1. Juli 2007 vergebenen Steuer-ID errichtete Datenbank um weitere Daten zu ergänzen, etwa um die Religionszugehörigkeit, Ehepartner/Ehepartnerinnen/Kinder und deren Steuer-ID, dazu Angaben über Steuerklassen. Hierbei werden auch zahlreiche Datensätze auf Vorrat aufgenommen, da auch Personen betroffen sind, die (noch) keine Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen sind.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordert vom Bundestag und Bundesrat, dieses Vorhaben der Umstellung auf ein elektronisches Verfahren mit dem Jahressteuergesetz 2008 nicht zu beschließen. Folgende Punkte sind datenschutzrechtlich kritisch:

  • Der durch die Vergabe der Steueridentifikationsnummer an alle Steuerpflichtigen und damit für alle Einwohnerinnen und Einwohner der Bundesrepublik entstehende Datenpool erhält eine neue Dimension. Zwar sind die Lohnsteuerabzugsmerkmale auch bisher auf der Lohnsteuerkarte vermerkt. Die Speicherung dieser Daten in einer zentralen Datenbank würde aber erhebliche datenschutzrechtliche Fragen aufwerfen. In den zentralen Datenbestand würden die Daten aller Personen mit Lohnsteuerkarten einfließen, also auch von solchen Personen, die sich nicht in einem lohnsteuerpflichtigen Beschäftigungsverhältnis befinden. Es ist zweifelhaft, ob die Aufnahme dieses Personenkreises dem Erforderlichkeitsgrundsatz entspricht. Nützlichkeitserwägungen sind für eine Datenhaltung auf Vorrat in keinem Fall ausreichend.
  • Die Daten würden bundesweit annähernd vier Millionen Arbeitgebern zur Verfügung stehen. Als einzige Sicherung ist dabei vorgesehen, dass nur ein autorisierter Arbeitgeber die Lohnsteuerabzugsmerkmale abrufen kann. Klärungsbedürftig ist allerdings, wie dies sichergestellt werden kann. Zwar ist ein Authentifizierungsverfahren für den Arbeitgeber vorgesehen. Die Frage ist jedoch, ob damit tatsächlich eine rechtswidrige Informationsbeschaffung Dritter auszuschließen ist. Zumindest sollten die Daten aus der zentralen Datenbank nur unter Mitwirkung der Betroffenen abgerufen werden können.
  • Die gesetzlich vorgeschriebene Evaluierung des Verfahrens (§ 87a Abs. 6 AO) ist noch nicht erfolgt. Gleichzeitig existieren bereits jetzt Bestrebungen, die Kommunikationsplattform "Elster" für Nutzungen durch andere Verwaltungszweige zu öffnen (OpenElster). Dies aber bedeutete, dass damit die Steuer-ID auch für die Identitätsfeststellung bei steuerfremden Anwendungen herangezogen werden könnte, ohne damit der strikten Zweckbindung nach § 139b Abs. 5 Abgabenordnung zu rein steuerlichen Zwecken Rechnung zu tragen. Diese Zweckbindung kann nach § 139b Abs. 2 AO auch nicht durch die jeweilige Einwilligung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger überwunden werden. Mit OpenElster sollen diese Vorkehrungen offenbar aufgeweicht werden, bevor die Steuer-ID überhaupt eingeführt wurde. Allein dies macht deutlich, dass jede Erweiterung des zentralen Datenbestandes kritisch hinterfragt werden muss.

Schließlich ist zu befürchten, dass die vorgesehene Erweiterung der Datenbank beim BZSt nicht den Schlusspunkt darstellt. Die im neuen Datenpool gespeicherten Daten wären auch für Sozialleistungsträger und Strafverfolgungsbehörden interessant. Es gibt zahlreiche Beispiele, dass Daten, die zunächst nur für einen engen Zweck gespeichert werden dürfen, später für viele andere Zwecke verwendet werden: Die für steuerliche Zwecke erhobenen Daten über Freistellungsaufträge werden mit den ebenfalls beim BZSt gespeicherten Daten der Empfänger von BAföG- und anderen Sozialleistungen abgeglichen. Die Mautdaten, die zunächst nur zur Mautberechnung erhoben wurden, sollen zukünftig auch zur Strafverfolgung verwendet werden. Der zunächst ausschließlich zur Terrorismusbekämpfung und der Bekämpfung der organisierten Kriminalität eingeführte Kontendatenabruf steht heute auch Finanzämtern und anderen Behörden wie z.B. der Bundesagentur für Arbeit über das BZSt offen. Das BZSt enthält so einen einzigartigen aktuellen Datenpool aller Bundesbürgerinnen und -bürger, der wesentliche Meldedaten, Bankkontenstammdaten und Steuerdaten zentral verknüpfen kann.