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Entschließung der 75. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 03. bis 04. April 2008 in Berlin

Mehr Augenmaß bei der Novellierung des BKA-Gesetzes

Der vom Bundesministerium des Innern erarbeitete Referentenentwurf eines Gesetzes zur Abwehr des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt hat zum Ziel, das Bundeskriminalamt mit umfassenden polizeilichen Befugnissen zur Verhütung von terroristischen Straftaten und zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit in diesem Zusammenhang auszustatten. Insbesondere sind Befugnisse zur Durchsuchung, Rasterfahndung, Wohnraumüberwachung und Telekommunikationsüberwachung vorgesehen. Außerdem will das Bundesinnenministerium eine Befugnis zum heimlichen Zugriff auf informationstechnische Systeme ("Online-Durchsuchung") in das BKA-Gesetz aufnehmen.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sprechen sich dagegen aus, dass dem Bundeskriminalamt nach dem Gesetzentwurf mehr Befugnisse eingeräumt werden sollen, als einzelnen Landespolizeien zur Erfüllung ihrer eigenen Gefahrenabwehraufgaben zustehen. Sie halten es daher für geboten, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Befugnisse des BKA auf die zur Aufgabenerfüllung zwingend notwendigen Kompetenzen zu beschränken.

Die bisherige informationelle Gewaltenteilung zwischen den Polizeien der Länder und dem BKA diente auch dem Datenschutz. Die Konferenz fordert deshalb eine klare, d. h. hinreichend trennscharfe Abgrenzung der spezifischen Befugnisse des Bundeskriminalamts einerseits zu denen der Landespolizeien und Verfassungsschutzbehörden andererseits.

Dem Referentenentwurf zufolge soll die Aufgabenwahrnehmung durch das Bundeskriminalamt die Zuständigkeit der Landespolizeibehörden auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr unberührt lassen. Dies führt zu erheblichen datenschutzrechtlichen Problemen, da nach geltendem Recht auch die Länder bei Abwehr einer durch den internationalen Terrorismus begründeten Gefahr parallele Abwehrmaßnahmen ergreifen können. Angesichts der Weite der für das Bundeskriminalamt vorgesehenen und den Landespolizeibehörden bereits eingeräumten Datenerhebungs- und Datenverarbeitungsbefugnisse steht zu befürchten, dass es zu sich überlappenden und in der Summe schwerwiegenderen Eingriffen in das informationelle Selbstbestimmungsrecht Betroffener durch das Bundeskriminalamt und die Landespolizeibehörden kommen wird.

Ebenso stellt sich die grundsätzliche Frage der Abgrenzung von Polizei und Verfassungsschutz. In den vergangenen Jahren sind die Polizeigesetze des Bundes und der Länder zunehmend mit Befugnissen zur verdeckten Datenerhebung (z. B. heimliche Video- und Sprachaufzeichnungen, präventive Telekommunikationsüberwachung) ausgestattet worden. Zudem wurden die Eingriffsbefugnisse immer weiter ins Vorfeld von Straftaten und Gefahren erstreckt. Damit überschneiden sich die polizeilichen Ermittlungsbefugnisse zunehmend mit denen des Verfassungsschutzes.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur "Online-Durchsuchung" vom 27.02.2008 den Gesetzgeber erneut verpflichtet, den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zu gewährleisten. Diese Vorgabe des Gerichts gilt nicht nur für eine etwaige gesetzliche Regelung zur "Online-Durchsuchung", sondern für alle Eingriffsmaßnahmen. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordern den Gesetzgeber deshalb auf, im Rahmen der Novellierung des BKA-Gesetzes den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung für alle Eingriffsmaßnahmen zu regeln.