Entschließung der 83. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 21./22. März 2012 in Potsdam
Öffentlich geförderte Forschungsprojekte zur Entdeckung abweichenden Verhaltens im öffentlichen Raum - nicht ohne Datenschutz
Mit erheblichen öffentlichen Mitteln werden derzeit zahlreiche Forschungsprojekte finanziert, die darauf abzielen, mit Hilfe modernster Technik - insbesondere der Videoüberwachung und dem Instrument der Mustererkennung - menschliche Verhaltensweisen zu analysieren. Dadurch sollen in öffentlich zugänglichen Bereichen mit hohem Sicherheitsbedarf "potentielle Gefährder" frühzeitig entdeckt werden. Zu derartigen Forschungsvorhaben zählen beispielsweise das Projekt "INDECT" (Intelligentes Informationssystem zur Überwachung, Suche und Detektion für die Sicherheit der Bürger in urbaner Umgebung), das von der Europäischen Union gefördert wird, oder in Deutschland Projekte wie ADIS (Automatisierte Detektion interventionsbedürftiger Situationen durch Klassifizierung visueller Muster), CamInSens (Verteilte, vernetzte Kamerasysteme zur in situ-Erkennung personeninduzierter Gefahrensituationen) oder die Gesichtserkennung in Fußballstadien.
Bei der Mustererkennung soll auf Basis von Video- oder anderen Aufzeichnungen, die mit Daten aus anderen Informationsquellen kombiniert werden, das Verhalten aller erfassten Personen computerunterstützt ausgewertet werden. Menschen, deren Verhalten als ungewöhnlich eingestuft wird, können so in Verdacht geraten, zukünftig eine Straftat zu begehen. Gerade bei der Mustererkennung von menschlichem Verhalten besteht daher die große Gefahr, dass die präventive Analyse einen Anpassungsdruck erzeugt, der die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Bürgerinnen und Bürger verletzen würde.
Insoweit ist generell die Frage aufzuwerfen, inwieweit die grundrechtliche Zulässigkeit des Einsatzes der zu erforschenden Überwachungstechnik hinreichend untersucht wird. Bei Projekten, bei denen öffentliche Stellen des Bundes und der Länder beteiligt sind, sollten jeweils die zuständigen Datenschutzbehörden frühzeitig über das Projektvorhaben informiert und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder appelliert an alle öffentlichen Stellen von Bund und Ländern, aber auch an die der Europäischen Union, die solche Projekte in Auftrag geben oder Fördermittel hierfür zur Verfügung stellen, bereits bei der Ausschreibung oder Prüfung der Förderfähigkeit derartiger Vorhaben rechtliche und technisch-organisatorische Fragen des Datenschutzes in ihre Entscheidung mit einzubeziehen. Nur so kann verhindert werden, dass Vorhaben öffentlich gefördert werden, die gegen Datenschutzvorschriften verstoßen.