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Entschließung der 89. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 18./19. März 2015 in Wiesbaden

Big Data zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung: Risiken und Nebenwirkungen beachten

Zunehmend sind Systeme zur Datenanalyse auch für Polizeibehörden am Markt verfügbar. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder weist daher frühzeitig – bevor diese Systeme in der Fläche beschafft werden – darauf hin, dass der Einsatz solcher Systeme durch die Polizei geeignet ist, elementare Grundsätze des Datenschutzes und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in Frage zu stellen. Solche Verfahren können enorme Mengen von heterogenen – strukturierten wie unstrukturierten – Daten mit hoher Geschwindigkeit auswerten. Sogenannte selbst lernende Algorithmen sind in der Lage, die Kriterien für die Auswertung selbst zu entwickeln und an neue Erkenntnisse anzupassen. Damit sollen Zusammenhänge zwischen Straftaten erkannt werden und Vorhersagen über künftige Straftaten oder Gefahren bereits im Vorfeld getroffen werden (“Predictive Policing“).

Dies kann zu einer weiteren Verschiebung der polizeilichen Eingriffsschwelle in das Vorfeld von Gefahren und Straftaten führen. Die Gefahr fehlerhafter Prognosen ist der Vorfeldanalyse stets immanent – mit erheblichen Auswirkungen auf die dabei in Verdacht geratenen Personen.

Besonders kritisch ist es, wenn Analysesysteme vermeintlich harmlose, allgemein zugängliche Daten aus dem Internet auswerten, etwa aus Foren oder sozialen Netzwerken. Diese können zudem mit polizeilichen Speicherungen verknüpft und einer konkreten Person zugeordnet werden. Es besteht das Risiko, dass die Systeme die Daten aus einem ganz anderen Zusammenhang verwenden, denen kein gefährdendes oder strafbares Verhalten zu Grunde liegt. Dann können Bürgerinnen und Bürger nicht mehr sicher sein, welche ihrer Handlungen von der Polizei registriert und nach welchen Kriterien bewertet werden – zumal diese stets nur auf statistischen Erfahrungswerten beruhen, die im Einzelfall nicht zutreffen müssen. Sind die Kriterien und die Funktionsweise der Auswertealgorithmen nicht bekannt, ist es den Betroffenen unmöglich, das Ergebnis mit eigenen Angaben zu widerlegen.

Auch wenn die derzeit in der Praxis bei einzelnen Länderpolizeien eingesetzten Verfahren, mit denen relevante polizeiliche Daten ausschließlich ortsbezogen und nicht personenbezogen ausgewertet werden, nicht die beschriebenen Risiken hervorrufen, kann die Bewertung bei nur geringfügigen Änderungen eine ganz andere sein. Die ständig weiterentwickelten technischen Auswertemöglichkeiten bergen schon heute das Potential dafür, dass Bürgerinnen und Bürger die Kontrolle über ihre Daten - in einem Umfang und auf eine Art und Weise - verlieren könnten, die in der Vergangenheit nicht vorstellbar gewesen ist.

Die derzeitigen gesetzlichen Vorschriften in Bund und Ländern enthalten – mit Ausnahme der Regelungen zur Rasterfahndung – keine ausdrücklichen Vorgaben für den Einsatz weit gefasster Analysesysteme. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder weist angesichts der beschriebenen Gefahren darauf hin, dass der Einsatz solcher Systeme durch die Polizei nur in engen Grenzen als verfassungsrechtlich zulässig zu betrachten ist.