Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt
Dr. Harald von Bose
Pressemitteilung
vom 20. Juli 2009
IX. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz
Achtung! Grundrechte!
Der Datenschutz ist seit 2007 aus seiner Defensivrolle gekommen. Dazu haben die brisanten Vorhaben der Vorratsdatenspeicherung und der heimlichen Online-Durchsuchung beigetragen wie auch Datenskandale in der Wirtschaft zu Lasten von Verbrauchern und Arbeitnehmern. Doch die Überwachungsgesellschaft, angestoßen auch durch das ambivalente, oft fahrlässige Verhalten der Menschen selbst, wird stetig intensiver.
Der IX. Tätigkeitsbericht greift solche Entwicklungen auf und gibt Empfehlungen für besseren Datenschutz; dazu zählen u.a.:
- Maßhalten bei Eingriffsbefugnissen
- Mehr Datenschutzbewusstsein bei allen Akteuren
- Technischer Systemdatenschutz
- Verstärkung der Schulbildung und politischen Bildung zu Themen der Privatheit und Selbstbestimmung als Werte und Bedingung von Demokratie
- Effektive unabhängige Datenschutzaufsicht
- Grundlegende Modernisierung des Datenschutzrechts unter Einbeziehung des Mediums Internet (Die kleine Datenschutznovelle des Bundes vom Juli 2009, die das Listenprivileg beim Adresshandel nur etwas abschwächte, reicht natürlich nicht aus.)
Kritik von Datenschützern an staatlichen Vorhaben und Maßnahmen dient der Akzeptanz des Rechtsstaats. Das Vertrauen, das dieser erwarten darf, setzt vertrauensbildende Maßnahmen voraus wie die Beachtung des Gebots der Datensparsamkeit. Beratung und Kontrolle der Datenschützer wirkt dabei unterstützend mit. Wer Datenschutz so denkt, kann ihn auch nicht mehr als Hindernis disqualifizieren. Denn Grundrechte gelten nicht nur dann, wenn sie nicht stören.
Viel wird über neue Informations- und Kommunikationstechnologien, etwa beim eGovernment, verhandelt, doch zu wenig über Grundrechte und deren vorrangige Bedeutung nachgedacht.
Der dem Landtagspräsidenten heute überreichte IX. Tätigkeitsbericht betrifft den Zeitraum vom 1. April 2007 bis 31. März 2009, aktuelle weitere Entwicklungen in Land und Bund wurden bis Anfang Juli berücksichtigt.
Der Bericht stellt eine Zusammenfassung der in den beiden letzten Jahren geleisteten Beratungs- und Kontrollarbeit des Landesbeauftragten und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seiner Geschäftsstelle dar. Der Bericht dient zugleich der Öffentlichkeitsarbeit und ist mittels vieler Einzelbeispiele, Hinweise und Fundstellen eine Handreichung für Behörden und behördliche Datenschutzbeauftragte. In einem Anlagenteil sind Entschließungen der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder und darüber hinaus der Europäischen und Internationalen Datenschutzkonferenz zu zahlreichen wichtigen datenschutzpolitischen und datenschutzrechtlichen Grundsatzthemen und kritisch kommentierten Einzelvorhaben enthalten.
Zu grundlegenden Aussagen zur Entwicklung und Situation des Datenschutzes siehe Ziff. 1, 1.1, 1.2, 1.3, 1.4, Anlage 6.
Die Zahl der Eingänge und Anfragen ist erneut gewachsen (siehe Ziff. 2.1), auch durch Vorgänge des nicht-öffentlichen Bereichs.
Schwerpunkte in den Jahre 2007 bis 2009 betrafen (siehe Ziff. 2.2):
- Technische Belange des Datenschutzes, IT-Dienstleistungen der Landesverwaltung (Kapitel 4 und 14)
- Beratung des Parlaments, z.B. beim Hundegesetz (Ziff. 11.1) und Kinderschutzgesetz (Ziff. 21.16)
- Justizvollzugsanstalt Burg (Ziff. 23.1)
- Schulunterrichte und Lehrerfortbildung (Ziff. 20.4)
- Namensnennung in Gedenkstättenausstellung des "Roten Ochsen" in Halle (Saale) (Ziff. 5.2)
- Datensuchlauf im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt (Ziff. 20.4).
Bei einer Reihe von Vorgängen gab es erhebliche datenschutzrechtliche Verstöße, die nur aufgrund gewisser Abhilfemaßnahmen nicht förmlich beanstandet wurden:
- Studierendendaten der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg im Internet (Ziff. 15.1)
- Videoüberwachung am Hasselbachplatz in Magdeburg (Ziff. 18.6)
- Videoüberwachung im Justizzentrum in Magdeburg (Ziff. 19.4).
Die auffällige Zunahme von Videoüberwachung ist ein Zeichen für den fortschreitenden Präventionsstaat, der unverhältnismäßig alle Menschen ohne Verdachtsmomente erfasst. Doch die Mahnungen des Bundesverfassungsgerichts werden 25 Jahre nach dem Volkszählungsurteil von 1983 strikter. Niemand muss sich rechtfertigen, wenn er seine Privatsphäre verbergen will.
Der Landesbeauftragte warnt daher stets:
Achtung! Grundrechte! Der Schutz des Persönlichkeitsrechts dient dem Schutz vor Gefährdungen durch Recht und Technik. Auch wenn sich das Verständnis von Privatheit stark gewandelt hat, ist die freie Gesellschaft mit gläsernen Menschen unvereinbar.
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Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt
Dr. Harald von Bose
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