Informationen zur Zulässigkeit von Wahlwerbung
Kurz vor den Wahlen nutzen die politischen Parteien und Organisationen wieder verschiedene Mittel um Aufmerksamkeit zu erzielen: mit Plakaten, Straßenständen, Wahlwerbespots im Radio, Fernsehen, aber auch die direkte Ansprache in Fußgängerzonen und bei Wahlveranstaltungen. Zunehmend findet der Wahlkampf auch in den digitalen Medien statt. Solange dabei keine personenbezogenen Daten von Bürgern erhoben, gespeichert und weiterverarbeitet werden, ist dies aus datenschutzrechtlicher Sicht unbedenklich.
Die datenschutzrechtliche Beurteilung fällt aber anders aus, wenn Parteien gezielt an wahlberechtigte Einzelpersonen herantreten und personalisierte Werbung – z. B. ein Einladungsschreiben für eine Wahlveranstaltung oder ihr Wahlprogramm – per Post versenden.
Wahlwerbung im Briefkasten
Grundsätzlich ist Wahlwerbung durch Flyer, Karten oder Briefe erlaubt. Eine Ausnahme besteht bei nicht personalisierter Werbung, in den Fällen, bei denen die Bewohner über einen Aufkleber („Keine Werbung!“) dem Erhalt kommerzieller Werbung widersprochen haben. Dies ist jedoch keine datenschutzrechtliche Frage, da insoweit keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden.
Für personalisierte, also direkt an einen Empfänger adressierte Wahlwerbung gilt dies nicht. Diese ist grundsätzlich (trotz Aufkleber) zulässig. Die Zusteller sind sogar verpflichtet, solche Sendungen einzuwerfen, da für sie ggf. gar nicht erkennbar ist, dass es sich hierbei um Werbung handelt.
Erteilung einer Gruppenauskunft durch die Meldebehörde
Die rechtliche Erlaubnis für personalisierte Wahlwerbung ergibt sich aus dem Bundesmeldegesetz (BMG). Gemäß § 50 Absatz 1 Satz 1 BMG dürfen die Meldebehörden Parteien im Zusammenhang mit Wahlen auf staatlicher und kommunaler Ebene Auskünfte aus dem Melderegister erteilen. Das Melderecht begründet dabei keinen Rechtsanspruch auf Erhalt der Melderegisterdaten. Vielmehr entscheidet die Meldebehörde über die Erteilung der Auskunft nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Meldebehörde muss dabei jedoch alle Parteien im Grundsatz gleich behandeln. Zulässig i. S. d. § 44 Absatz 1 Satz 1 BMG ist allerdings nur die Übermittlung von Vor- und Nachnamen, Doktortiteln sowie derzeitigen Anschriften, nicht aber Geburtsdaten. Bei den jeweiligen auf Antrag der Partei erteilten Meldeauskünften gelten zudem folgende gesetzliche Vorgaben, zu denen sich die Parteien schriftlich gegenüber den Behörden verpflichten:
- Die Auskünfte erfolgen nur für den Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl. Nach der Wahl sind Namen und Adressdaten innerhalb eines Monats von den Verantwortlichen wieder zu löschen.
Beispiel:
In einer Gemeinde wird am 9. Juni 2024 der Gemeinderat neu gewählt. Eine Auskunft nach § 50 Absatz 1 Satz 1 BMG darf nur innerhalb eines Zeitraums vom 9. Dezember 2023 bis zum 8. Juni 2024 erteilt werden. Die personenbezogenen Daten, auch etwaige Kopien der Adressbestände sind bis zum Ablauf des 9. Juli 2024 vom Verantwortlichen wieder zu löschen.
- Die übermittelten Daten dürfen ausschließlich nur für die Wahlwerbung verwendet werden.
Beispiel:
Unzulässig wäre die Nutzung der Adressdaten zur Aufnahme in eine „allgemeine Adressdatenbank“ oder zur Mitgliedergewinnung für die Partei.
- Die Auskunft erstreckt sich immer nur auf einzelne Altersgruppen von Wahlberechtigten, nicht auf sämtliche Betroffene in der Melderegion. Nicht zulässig ist es gestaffelte Anträge zu stellen, um die Kontaktdaten aller Wahlberechtigten im Zuständigkeitsbereich der Meldebehörde zu erlangen.
Beispiel:
Eine Partei fordert eine Liste aller Jungwähler zwischen 18 und 20 Jahren an. Unzulässig wäre die Anforderung eines Verzeichnisses der Bürger zwischen 18 und 100 Jahren, da die Partei dann eine Auflistung fast aller wahlberechtigten Bürger der Kommune erhalten würde. Da einzig auf das Alter abgestimmt werden darf, ist ein anderes Auswahl- bzw. Suchkriterium, wie die Religionszugehörigkeit oder das Geschlecht, nicht zulässig.
Halten sich die Empfänger von Meldedaten für Wahlkampfzwecke an diese gesetzlichen Vorgaben, ist deren Verarbeitung aus datenschutzrechtlicher Sicht zulässig. Das Persönlichkeitsrecht der Bürger tritt in diesen Fällen hinter das Recht politischer Parteien oder Organisationen an demokratischer Teilhabe im Rahmen von Wahlen zurück.
Möglichkeit des Widerspruchs
Bürger, die keine Wahlwerbung erhalten möchten, haben entsprechend § 50 Absatz 5 Satz 1 BMG die Möglichkeit, der Veröffentlichung bzw. der Weitergabe an Dritte zu widersprechen. Für den Widerspruch ist keine besondere Form vorgesehen, er kann in Schriftform, persönlich oder per E-Mail bei der zuständigen Meldebehörde erhoben werden. Wer ihn erhebt, muss weder eine Begründung abgeben noch eine Frist beachten. Der Widerspruch ist gebührenfrei und wirkt grundsätzlich auf Dauer, entfaltet für die Vergangenheit jedoch keine Wirkung. Eine Rücknahme des Widerspruchs ist möglich.
Häufig finden Sie auf den Internetseiten der entsprechenden Gemeinden ein vorformuliertes Schreiben, welches Sie für Ihren Widerspruch nutzen können aber nicht müssen. Auf dieses Widerspruchsrecht ist zudem einmal jährlich durch ortsübliche Bekanntmachung – also z. B. in einem Mitteilungsblatt – hinzuweisen. In Rathäusern und Bürgerämtern liegen oft auch vorgefertigte Widerspruchsvordrucke aus. Ein Formular für einen Musterwiderspruch finden Sie zudem hier.
Aufgrund des Widerspruchs trägt die Meldebehörde im Melderegister eine Übermittlungssperre für Gruppenauskünfte mit dem Zweck „Wahlwerbung“ ein.
Haben Sie bei der zuständigen Meldebehörde fristgemäß Widerspruch gegen eine Melderegisterauskunft für Zwecke der Wahlwerbung eingelegt und erhalten dennoch Wahlwerbepost, so können Sie die Parteien – aber auch die Meldebehörde – um Aufklärung bitten.
In Fällen der unzulässigen Werbung können Sie sich auch an den Landesbeauftragten für den Datenschutz mit der Bitte um Überprüfung wenden.
Personalisierte Wahlwerbung durch das Verwenden von Adressen aus dem Adresshandel
Die Parteien können die Adressdaten zum Beispiel auch von privaten Adressunternehmen beziehen. Hier finden die Regelungen des Melderechts keine Anwendung. In diesem Fall gelten die allgemeinen Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Der Adresshandel ist datenschutzrechtlich zulässig, sofern für die Übermittlung der Daten der Betroffenen eine Einwilligung vorliegt. Diese kann zum Beispiel im Rahmen von Gewinnspielen oder anderen Registrierungen mitunter sehr leichtfertig getroffen worden sein.
Nutzen Parteien für die persönliche Wahlwerbung im Briefkasten entsprechende Informationen, müssen sie einen Nachweis für die Einwilligung der Betroffenen vorlegen können. Die nötigen Auskünfte erhalten sie im Rahmen des Adresshandels in aller Regel. Fehlt eine Einwilligung der Betroffenen, liegt mithin zumeist ein Verstoß gegen die DS-GVO vor. Zudem müssen sie den Betroffenen ein Widerrufsrecht einräumen.
Wahlwerbung per Telefon, E-Mail oder Haustürwahlkampf und Wahlkampf-App
Wahlwerbung per Telefon:
Wahlwerbung per Telefon ist in der Regel unzulässig, da diese im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 6 Absatz 1 lit. f DS-GVO grundsätzlich weder geeignet noch erforderlich erscheint. Jeder Mensch hat das Recht, in seiner Wohnung ungestört zu bleiben. Hinter diesem Recht hat das Bestreben einer Partei, möglichst viele Stimmberechtigte für ihre Ziele zu gewinnen, zurückzutreten.
Wahlwerbung per E-Mail:
Eine besondere Erlaubnisnorm wie beim postalischen Wahlkampf gibt es für E-Mails nicht. Es greifen deshalb auch hier die Grundsätze der DS-GVO für Werbung. Grundsätzlich dürfen Parteien Wahlwerbung nur dann per E-Mail versenden, wenn der Empfänger in die Nutzung seiner Daten zu diesem Zwecke auch eingewilligt hat. Der Zustellung entsprechender Wahlwerbung muss der Betroffene widersprechen können.
Haustürwahlkampf und Wahlkampf-App:
Allein das Ablaufen von Straßenzügen und Klingeln an Haustüren stellt keine Verarbeitung von personenbezogenen Daten dar. Der Datenschutz wird hier also noch nicht berührt.
Mit Hilfe von sogenannten Wahlkampf-Apps erfolgt im Anschluss der einzelnen Gespräche zunehmend aber auch eine entsprechende Erfassung der Ergebnisse. Hierzu werden mittlerweile von vielen Parteien Apps benutzt, in denen Informationen zu dem Besuch eingetragen werden, wie z. B. das geschätzte Alter der angetroffenen Person und wie diese bereit ist, die jeweilige Partei zu wählen.
Sofern Parteien solche Informationen zu potentiellen Wählern erfassen, handelt es sich ggf. um besonders sensible Daten, die i. S. d. Art. 9 DS-GVO besonders geschützt sind. Die Verarbeitung ist hier zum einen an die Einwilligung des Betroffenen gebunden, zum anderen müssen die Parteien in der Regel sicherstellen, dass keine Rückschlüsse auf eine natürliche Person möglich ist (z. B. durch Anonymisierung).