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V. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.1999 - 31.03.2001

14.5 Einsichtnahme Dritter in archivierte Personalakten

Ein pauschal - ohne nähere Eingrenzung - bevollmächtigter Antragsteller begehrte bei einem Landkreis Einsicht in dessen archivierte Personalunterlagen, um eventuell vorhandene Ansprüche im Zusammenhang mit Ereignissen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und in den Folgejahren nach dem Vermögensgesetz auszuwerten. Da der Landkreis aus mehreren Gründen Bedenken hatte, dem Antrag zu entsprechen, bat er den Landesbeauftragten um die rechtliche Beurteilung des Begehrens.

Zunächst war formalrechtlich festzuhalten, daß eine per Telefax übermittelte „Vollmacht” ohne die nachgereichte Originalvollmacht rechtlich unbeachtlich ist. Unabhängig davon war auch die Auffassung des Rechtsamtes des Landkreises zu teilen, daß die Vollmacht inhaltlich zu unpräzise war und zu einer pauschalen Ausforschung der im Kreisarchiv befindlichen personenbezogenen Unterlagen führen würde. Dies war aus mehreren Gründen rechtlich unzulässig. Die datenschutzrechtliche Prüfung erstreckte sich auf das Vermögensgesetz, auf archivrechtliche Bestimmungen und auf Regelungen des Personalaktenrechts.

1. Das Vermögensgesetz enthält keinerlei Rechtsgrundlagen für die Ausforschung von Personalakten und die damit verbundenen Grundrechtseingriffe. § 31 Vermögensgesetz verpflichtet den Anspruchsteller nur, bei den amtlich durchzuführenden Ermittlungen mitzuwirken, beinhaltet aber für diesen keinerlei eigene Eingriffsgrundlage in die Rechte Dritter. Möglich wäre ein eventuelles Datenübermittlungsersuchen des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen nach § 11 i.V.m. § 10 DSG-LSA im Rahmen seiner Amtsermittlungen.

2. Wird die Einsicht in bereits abgeschlossene Personalunterlagen begehrt, wäre die Zulässigkeitsprüfung nach den Vorschriften des Archivrechts vorzunehmen. Soweit es dabei um Archivgut geht, das vor Inkrafttreten des Landesarchivgesetzes (ArchG-LSA) am 28.06.1995 entstanden ist, sind grundsätzlich die damals geltende Verordnung über das staatliche Archivwesen sowie die Zweite Durchführungsbestimmung vom 19.03.1976 und vom 16.03.1990 heranzuziehen. Da bekanntermaßen nach den Festlegungen im Einigungsvertrag das Recht der ehemaligen DDR nur Anwendung finden kann, soweit es mit den heute geltenden Vorschriften des Grundgesetzes übereinstimmt, wäre dabei auch die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1983 (NJW 1984 S. 419 ff) zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten. Deshalb empfiehlt es sich, bei der Rechtsprüfung das in solchen Fällen höhere Schutzniveau des Landesarchivgesetzes zur Prüfung heranzuziehen.

Nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 ArchG-LSA ist die Nutzung von Archivgut unzulässig, soweit Grund zu der Annahme besteht, daß schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenstehen. Dementsprechend hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 3 Satz 2 ArchG-LSA vorgesehen, daß derartiges Archivgut grundsätzlich erst 30 Jahre nach dem Tode der Betroffenen genutzt werden darf.

3. Handelt es sich um personenbezogene Unterlagen aus Personalvorgängen, die noch nicht abgeschlossen sind, gelten die Bestimmungen des BG LSA i.V. mit § 13 BAT-O. Nach § 90f BG LSA sind Personal- und Versorgungsakten unterschiedlich lange als nicht abgeschlossene Vorgänge zu behandeln. Daraus folgt, daß solche personenbezogenen Akten, auch wenn sie schon im Archiv gelagert sein sollten, noch der laufenden Verwaltung zuzurechnen sind und damit nicht den archivrechtlichen Benutzungsregelungen unterfallen. Auskunft an Dritte - dazu zählt auch die Einsichtnahme - bedarf in diesen Fällen der Einwilligung des Betroffenen (§ 90d BG LSA).