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VI. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.2001 - 31.03.2003

14. Kommunalverwaltung

14.1  Datenschutz im Standesamt

Ein Landkreis wandte sich an den Landesbeauftragten mit folgendem Sachverhalt:
Eine Antragstellerin hatte erst nach dem Tod ihrer Mutter von einer Verwandten erfahren, wer ihr leiblicher Vater war. Seitdem versuchte sie, dessen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Erschwert wurde die Suche dadurch, dass ihr weder der vollständige Name, das Geburtsdatum, der Geburtsort noch dessen damaliger Wohnort bekannt war. Alle Angaben beruhten auf Auskünften Dritter vom Hörensagen. Einziger Anhaltspunkt war der Hinweis, dass der Betroffene 1945 (damals ca. 20 Jahre alt) bei der Deutschen Wehrmacht gewesen war und aus der Stadt "X" oder deren Umgebung stammen sollte.
Die Antragstellerin wandte sich mit diesen Angaben an die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Wehrmacht in Berlin und das Bundesarchiv in Aachen. Sie erhielt aber jeweils die Auskunft, dass ohne Geburtsdatum die Suche nicht möglich sei.
Daraufhin wandte sich die Antragstellerin an das Standesamt der Stadt "X". Die Auskunft verlief ebenfalls negativ. Zwischenzeitlich hatte die Antragstellerin verschiedene Standesämter der Umgebung angeschrieben und um Auskunft gebeten. Ein Standesamt gab den Hinweis, dass unter dem möglichen Namen in dem angenommenen Zeitraum der Geburt (1920 bis 1926) sechs Eintragungen vorlägen, eine detaillierte Auskunft aus datenschutzrechtlichen Gründen aber nicht möglich sei. Die Antragstellerin wandte sich nun an das Amtsgericht. Das Amtsgericht wies den Standesbeamten mit Beschluss an, der Antragstellerin über das Geburtsdatum alle Auskünfte zu den betroffenen Personen zu erteilen.

Der zuständige Landkreis legte gegen diesen Beschluss zunächst sofortige Beschwerde ein und bat für deren Begründung den Landesbeauftragten um gutachtliche Stellungnahme. In dieser wies der Landesbeauftragte auf drei Punkte hin:

  1. Nach § 61 PStG besteht (nur) für Personen ein Auskunftsanspruch, auf die sich der Eintrag bezieht, sowie deren Ehegatten, Vorfahren und Abkömmlinge. Für Ausforschungsanträge "ins Blaue" enthält das Personenstandsgesetz keine rechtliche Grundlage.

  2. Die Antragstellerin hatte nicht vorgetragen und belegt, dass sie alle ihr zur Verfügung stehenden Nachforschungsmöglichkeiten ausgeschöpft hatte. So wäre zum einen eine Anfrage an das Militärarchiv in Freiburg (Breisgau), das Auskünfte zu Einheiten der Deutschen Wehrmacht und deren Bediensteten geben kann, möglich gewesen. Zum anderen hatte sie sich weder an die zuständigen Meldebehörden gewandt noch bei dem seinerzeit nach ihrer Geburt zuständigen Jugendamt Nachforschungen angestellt.

  3. Die vom Amtsgericht angeordnete Auskunftserteilung stellt einen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen dar, der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur auf gesetzlicher Grundlage erfolgen darf. Diese lag nicht vor. Zudem wäre die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zuletzt BVerfGE 96, 56) zu berücksichtigen gewesen, wonach die Antragstellerin schon keinen absoluten Anspruch auf Bekanntgabe des Vaters durch ihre Mutter gehabt hätte.
    Insgesamt erschien daher der mit der Auskunft einhergehende Grundrechtseingriff in die Rechte von einer wenigstens zweistelligen Zahl von Männern mit Allerweltsnamen aus der Umgebung der Stadt "X" (20, 50 oder 100 Kilometer Umkreis?) unverhältnismäßig.

Das für die Beschwerde zuständige Landgericht hat den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und den Auskunftsantrag zurückgewiesen. Die Urteilsbegründung entspricht weitgehend den Ausführungen des Landesbeauftragten.