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VII. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.2003 - 31.03.2005

15.1 Kleine Anfrage im Landtag - Eine Fortsetzung

Der Antwort auf eine Kleine Anfrage hatte die Landesregierung die Kopie der Teilnehmerliste zur Gründungsversammlung eines Vereins beigefügt. In dieser Liste wurden die Gründungsmitglieder namentlich mit Privatadresse und Unterschrift aufgeführt. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit hatte die Landtagsverwaltung die Antwort unverändert in das Internetangebot des Landtages eingestellt. Der Landesbeauftragte hatte hierüber bereits im VI. Tätigkeitsbericht (Ziff. 15) berichtet.

Mit der Landtagsverwaltung wurde die rechtliche Seite besprochen. Wie diese - und auch mehrheitlich die Konferenz der Landtagsdirektoren - ist der Landesbeauftragte der Rechtsauffassung, dass jedes Verfassungsorgan die rechtliche Verantwortung für seine Handlungen trägt.
Werden also durch die Landesregierung Anfragen beantwortet, welche personenbezogene Daten Betroffener beinhalten, so prüft die Landesregierung zum einen, ob eine Information zu einzelnen Personen überhaupt erforderlich ist, um die Fragen zu beantworten. Zudem klärt sie, ob im Rahmen ihrer Auskunftspflicht u.a. Rechte Dritter betroffen sein könnten, und sie darum die Auskunft nach Art. 53 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt (Verf LSA) verweigern müsste. Aufgrund der Kontrollkompetenz des Parlaments wird diesem allerdings nur selten eine Information, sei sie auch personenbezogen, verwehrt werden dürfen. Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zuletzt in einem Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 - (vgl. ZParl 2004, 487) dargelegt hat, erfordert die Begrenzung eines parlamentarischen Informationsverlangens durch die Regierung im Einzelfall eine nachvollziehbare Begründung und Abwägung der unterschiedlichen Interessen von Regierung, eines ggf. betroffenen Dritten einerseits und des Informationsanspruchs des Parlaments andererseits.
Vor diesem Hintergrund ist es von besonderer Bedeutung, zwischen der Übermittlung von Informationen an die Abgeordneten und der weiteren Öffentlichkeitsarbeit des Landtages zu unterscheiden. Der umfassende Anspruch der Abgeordneten auf unveränderte Überlassung von Informationspapieren der Regierung ist verfassungsrechtlich verankert. Gleiches gilt bezüglich der Veröffentlichung solcher Informationen durch den Landtag nicht in entsprechender Weise.
Aus den Regelungen in § 19 Abs. 4 und § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Landtags wird deutlich, dass die Landtagsverwaltung nicht verpflichtet ist, Landtagsdrucksachen über das Internet einer weltweiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Landesparlament hat den verfassungsrechtlichen und rechtstatsächlichen Unterschied zwischen einem Informationszugang über das Internet und einer Einsichtnahme beim Landtag gesehen und den für die Grundrechte betroffener Bürgerinnen und Bürger schonenderen Weg der Einsicht beim Landtag gewählt.
Die Verwaltung des Landtags muss in jedem Einzelfall die Entscheidung treffen, ob und ggf. welche Informationen sie auf der Internetseite des Landtags weltweit und nicht rückholbar zur Verfügung stellen will und darf. Die weitergehende Internetveröffentlichung von Landtagspapieren dient nicht der Erfüllung der verfassungsrechtlich gebotenen Informationspflicht des Landtags und seiner Mitglieder, sondern stellt einen besonderen Modus der Öffentlichkeitsarbeit dar, auf den die Persönlichkeitsrechte schützenden Regelungen anwendbar sind, insbesondere Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 Verf LSA, § 4 Abs. 2 Nr. 3 Landespressegesetz sowie die Bestimmungen des DSG-LSA. Demzufolge stellt es keinen Eingriff in die Rechte eines Verfassungsorgans dar, wenn der Landtag anlässlich der Veröffentlichung von Drucksachen, insbesondere im Internet, personenbezogene Daten auf das zulässige Maß begrenzt. Der Anspruch der parlamentarischen Fragesteller auf eine Antwort der Landesregierung wird in keiner Weise beschränkt, da ihnen die Antwort in der von der Landesregierung übermittelten Fassung zugeleitet wird.

Nachdem dies einhellige Meinung zu sein schien, konnte der Landesbeauftragte also davon ausgehen, dass die Landtagsverwaltung künftig in adäquater Weise verfahren würde und die schutzwürdigen Belange Betroffener bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit, auch soweit sie dabei das Medium Internet nutzt, berücksichtigen würde.
Trotzdem kam es 2004 zur erneuten Veröffentlichung personenbezogener Daten, indem eine Liste zu Beraterverträgen auf der Internetseite des Landtages eingestellt wurde. Der Landesbeauftragte hat dies kritisiert und erneut darauf hingewiesen, dass solches ohne Einwilligung der Betroffenen grundsätzlich nicht hinnehmbar ist. Auch das Urteil des Verfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommerns vom 19. November 2002 (LKV 2003, 182), welches u.a. die über das Internet vorgenommene Veröffentlichung von Daten von Rechtsanwälten zum Gegenstand hat, führt nicht zu einer anderen Einschätzung, da diese Personen nach Auffassung des Gerichts nur in ihrer (öffentlichen) Rolle als Organ der Rechtspflege betroffen waren.

Zusammenfassend stellt der Landesbeauftragte klar, dass sich Öffentlichkeitsarbeit öffentlicher Stellen nur in ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit bzw. Notwendigkeit, jedoch nicht bezüglich des gewählten Modus aus dem Demokratieprinzip rechtfertigt.
Die Öffentlichkeitsarbeit nicht nur des Landtages, sondern - wegen der Vielzahl ihrer Internetseiten - besonders auch jene der kommunalen Körperschaften, muss sich immer an der nicht einschränkbaren Menschenwürde der Betroffenen ausrichten. Das BVerfG hat mehrfach betont, dass die Menschenwürde tragendes Konstitutionsprinzip und oberster Verfassungswert ist und es mit der Würde des Menschen nicht vereinbar ist, ihn zum bloßen Objekt der Staatsgewalt zu machen. Dies geschieht jedoch, wenn die Daten Betroffener ohne deren Einwilligung bzw. schon ohne deren Kenntnis auf einer Internetseite durch öffentliche Stellen weltweit verfügbar gemacht werden.

Um eine Diskussion über eine gesetzliche Regelung zur Erweiterung der Befugnisse bei der Öffentlichkeitsarbeit zu vermeiden, weist der Landesbeauftragte klarstellend darauf hin, dass ein Bedürfnis zur normativen Zulassung von Internetveröffentlichungen personenbezogener Daten in diesem Zusammenhang verfassungsrechtlich nicht vertretbar sein dürfte.