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Eu­ro­päi­sche Kon­fe­renz der Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten vom 25. - 26. April 2005 in Kra­kau (Polen)

Stel­lung­nah­me zu Straf­ver­fol­gung und In­for­ma­ti­ons­aus­tausch in der EU

Ein­füh­rung
Die Früh­jahrs­kon­fe­renz der Eu­ro­päi­schen Da­ten­schutz­be­hör­den hat die fol­gen­de Stel­lung­nah­me ver­ab­schie­det:

Ent­wurf eines Rah­men­be­schlus­ses vom 4. Juni 2004 (10215/04) zur Ver­ein­fa­chung des Informations-​ und Er­kennt­nis­aus­tauschs zwi­schen den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den der Mit­glied­staa­ten der Eu­ro­päi­schen Union, ins­be­son­de­re hin­sicht­lich schwe­rer Straf­ta­ten ein­schließ­lich ter­ro­ris­ti­scher Hand­lun­gen.

Sach­stand
Unter Be­zug­nah­me auf die Er­klä­rung des Eu­ro­päi­schen Rates zur Be­kämp­fung des Ter­ro­ris­mus vom 25. März 2004, in der der Rat auf­ge­for­dert wird, den In­for­ma­ti­ons­aus­tausch zwi­schen den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den der Mit­glied­staa­ten zu ver­bes­sern und zu ver­ein­fa­chen, hat das Kö­nig­reich Schwe­den einen Ent­wurf für einen Rah­men­be­schluss mit dem Ziel vor­be­rei­tet, einen "ge­mein­sa­men und ver­ein­fach­ten Rah­men für den Aus­tausch von In­for­ma­tio­nen und Er­kennt­nis­sen zwi­schen den zu­stän­di­gen Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den der Mit­glied­staa­ten" zu schaf­fen.

Der Rah­men­be­schluss
Im Er­läu­te­rungs­pro­to­koll wird fest­ge­stellt, dass be­stehen­de Un­ter­schie­de in den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und Ver­wal­tungs­struk­tu­ren der Mit­glied­staa­ten die größ­ten Hin­der­nis­se für den Informations-​ und Er­kennt­nis­aus­tausch in­ner­halb der EU dar­stel­len und dass ein Rah­men­be­schluss die beste Me­tho­de dar­stellt, diese Pro­ble­me an­zu­ge­hen. Es folgt eine kurze Zu­sam­men­fas­sung der ent­spre­chen­den Be­stim­mun­gen des Ent­wurfs des Rah­men­be­schlus­ses.

Der ge­plan­te Rah­men­be­schluss würde von den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den in den Mit­glied­staa­ten ver­lan­gen, den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den in an­de­ren Mit­glied­staa­ten auf An­fra­ge be­stimm­te In­for­ma­tio­nen und Er­kennt­nis­se zur Ver­fü­gung zu stel­len. Im Spe­zi­el­len sol­len durch den Be­schluss Re­ge­lun­gen fest­ge­legt wer­den, nach denen die Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den der Mit­glied­staa­ten ... vor­han­de­ne In­for­ma­tio­nen und Er­kennt­nis­se zur Durch­füh­rung straf­recht­li­cher Er­mitt­lun­gen oder kri­mi­nal­po­li­zei­li­cher Ein­sät­ze aus­tau­schen kön­nen (Ar­ti­kel 1 Ab­satz 1).

Diese In­for­ma­tio­nen müss­ten un­ver­züg­lich und vor­zugs­wei­se in­ner­halb des er­be­te­nen Zeit­rah­mens (Ar­ti­kel 4 Ab­satz 3) be­reit­ge­stellt wer­den, und die Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den dürf­ten eine In­for­ma­ti­ons­an­fra­ge nur dann ab­leh­nen, wenn sie sich auf eine der Aus­nah­me­re­ge­lun­gen be­ru­fen kön­nen, die ihnen im Be­schluss ein­ge­räumt wer­den (Ar­ti­kel 11).

Alle Straf­be­stän­de, die mit einer Höchst­stra­fe von 12 Mo­na­ten oder mehr ge­ahn­det wer­den, wären von dem Be­schluss er­fasst (Ar­ti­kel 3). Der Rah­men­be­schluss­ent­wurf ent­hält dar­über hin­aus ein Ver­zeich­nis der Straf­ta­ten, die als schwe­rer ein­ge­stuft wer­den, und bei denen es des­halb er­for­der­lich wäre, dass In­for­ma­tio­nen bin­nen höchs­tens 12 Stun­den nach einer An­fra­ge zur Ver­fü­gung ge­stellt wer­den (Ar­ti­kel 4 Buch­sta­be a Ab­satz 2).

Daten kön­nen aus­ge­tauscht wer­den über die Per­so­nen, die ver­däch­tigt wer­den, eine in Ar­ti­kel 3 (Ar­ti­kel 6 Ab­satz 1 Buch­sta­be a) er­fass­te Straf­tat be­gan­gen zu haben, über die Per­so­nen, die nach kri­mi­nal­po­li­zei­li­chen Er­kennt­nis­sen oder an­de­ren be­weiserheb­li­chen Um­stän­den eine der­ar­ti­ge Straf­tat be­ge­hen könn­ten (Ar­ti­kel 6 Ab­satz 1 Buch­sta­be b) oder über die­je­ni­gen Per­so­nen, die unter keine die­ser Ka­te­go­rien fal­len, aber tat­säch­li­che Grün­de für die An­nah­me spre­chen, dass ein Informations-​ und Er­kennt­nis­aus­tausch zur Auf­de­ckung, Ver­hü­tung oder Er­mitt­lung einer Straf­tat bei­tra­gen könn­te, bei denen eine der unter Ar­ti­kel 4 Ab­satz a des Be­schlus­ses (Ar­ti­kel 6 Ab­satz 1 Buch­sta­be c) ge­nann­te Straf­tat be­gan­gen wurde.

In Ar­ti­kel 7 Ab­satz 1 ist ge­re­gelt, dass das SIRENE-​Büro oder EU­RO­POL oder "eine be­lie­bi­ge an­de­re Vor­keh­rung auf bi­la­te­ra­ler oder mul­ti­la­te­ra­ler Ebene unter den Mit­glied­staa­ten" ge­nutzt wer­den kann, um In­for­ma­tio­nen und Er­kennt­nis­se nach die­sem Be­schluss aus­zu­tau­schen.

Ar­ti­kel 9 sieht vor, dass in dem Fall, dass vor­han­de­ne Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le ge­nutzt wer­den, die Da­ten­schutz­re­ge­lun­gen, die für diese Ka­nä­le gel­ten - wie jene, die in der Eu­ro­pol­kon­ven­ti­on ent­hal­ten sind -  auch auf die Aus­tausch­vor­gän­ge an­zu­wen­den sind, die von die­sem Be­schluss er­fasst wer­den.

Ar­ti­kel 9 sieht vor, dass "gleich­wer­ti­ge Stan­dards des Da­ten­schut­zes" gel­ten soll­ten, wenn an­de­re Ka­nä­le ge­nutzt wer­den.

All­ge­mei­ne Be­mer­kun­gen
Falls die­ser Rah­men­be­schluss um­ge­setzt wird, würde damit ein be­währ­ter Stan­dard in der EU-​Politik in die­sem Be­reich fort­ge­führt. Die Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den wird als ein wich­ti­ger, wenn nicht sogar ent­schei­den­der Aspekt in der Be­kämp­fung von Kri­mi­na­li­tät und Ter­ro­ris­mus an­ge­se­hen. Kul­tu­rel­le, or­ga­ni­sa­to­ri­sche und recht­li­che Hin­der­nis­se, die einen Da­ten­schutz \u2013 Do­ku­men­te der Eu­ro­päi­schen DSB-​Konferenz 31 Da­ten­aus­tausch ver­hin­dern, müs­sen an­ge­gan­gen wer­den. Viele In­itia­ti­ven, ein­schließ­lich die­ses Rah­men­be­schluss­ent­wurfs, füh­ren zu einem deut­li­chen An­stieg des Aus­tau­sches von In­for­ma­tio­nen für Straf­ver­fol­gungs­zwe­cke, wobei deut­lich mehr per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten zwi­schen den Mit­glied­staa­ten aus­ge­tauscht wer­den. Auch wenn der Da­ten­aus­tausch an sich für die Be­kämp­fung von Kri­mi­na­li­tät und Ter­ro­ris­mus not­wen­dig sein mag, ist die Liste der von dem Be­schluss er­fass­ten Straf­ta­ten groß und geht weit über den re­la­tiv engen Ka­ta­log von Straf­ta­ten hin­aus, wie sie in an­de­ren EU-​Instrumenten er­fasst wer­den, wie z. B. in der Europol-​Konvention. Auch die Ka­te­go­rie von Per­so­nen, über die Daten aus­ge­tauscht wer­den kön­nen, ist weit ge­fasst; ins­be­son­de­re Ar­ti­kel 6 Buch­sta­be c ist un­klar und könn­te zu einem weit­ge­hen­den Da­ten­aus­tausch von Per­so­nen füh­ren, die über­haupt nicht ver­däch­tigt wer­den, Straf­ta­ten be­gan­gen zu haben. Es soll­te klare Kri­te­ri­en für die Fest­le­gung geben, wann per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten aus­ge­tauscht wer­den kön­nen.

Der Ent­wurf des Rah­men­be­schlus­ses führt eine Ver­pflich­tung zum Aus­tausch von In­for­ma­tio­nen ein, wenn diese ver­füg­bar sind. An­ge­sichts der po­ten­ti­ell weit rei­chen­den Aus­wir­kun­gen die­ser Ent­wick­lung möch­ten wir her­vor­he­ben, wie wich­tig eine Prü­fung der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit die­ses Vor­schlags ist. Die Be­kämp­fung des Ter­ro­ris­mus wird immer mehr als Be­grün­dung für neue In­itia­ti­ven in die­sem Be­reich her­an­ge­zo­gen, viele davon gehen aber weit über die­sen Zweck hin­aus. Es ist daher wich­tig zu er­ken­nen, dass eine Ein­schrän­kung von Grund­rech­ten, die für die Be­kämp­fung des Ter­ro­ris­mus ge­recht­fer­tigt sein kann, nicht not­wen­di­ger­wei­se ge­recht­fer­tigt ist, wenn es um an­de­re kri­mi­nel­le Ak­ti­vi­tä­ten geht.

Durch die Ein­füh­rung des Grund­sat­zes, dass Daten bei Ver­füg­bar­keit aus­ge­tauscht wer­den müs­sen, wird eine Ver­bin­dung zum Haa­ger Pro­gramm her­ge­stellt, in dem das Ver­füg­bar­keits­prin­zip ein­ge­führt wird. Das Haa­ger Pro­gramm legt strik­te Be­din­gun­gen fest, die ein­zu­hal­ten sind, wenn das Ver­füg­bar­keits­prin­zip an­ge­wen­det wer­den soll, wie z. B. das Er­for­der­nis, die In­for­ma­ti­ons­quel­len und die Ver­trau­lich­keit der Daten zu schüt­zen, das Er­for­der­nis, die In­te­gri­tät der aus­zu­tau­schen­den Daten zu ge­währ­leis­ten, die Auf­sicht dar­über, dass der Da­ten­schutz be­ach­tet wird, sowie ge­eig­ne­te Kon­trol­len vor und nach dem Aus­tausch der Daten. Der Rah­men­be­schluss­ent­wurf ent­spricht je­doch nicht die­sen strik­ten Be­din­gun­gen, so­dass es daher not­wen­dig ist, diese Be­din­gun­gen im Be­schluss zu ent­wi­ckeln.

Nach dem Be­schluss­ent­wurf sol­len be­stehen­de Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le für den Da­ten­aus­tausch ge­nutzt wer­den, und es sol­len be­stehen­de Da­ten­schutz­re­ge­lun­gen An­wen­dung fin­den. So ein­fach ist dies aber nicht. Es gibt Un­ter­schie­de zwi­schen Da­ten­schutz­re­ge­lun­gen, die gemäß Schen­gen An­wen­dung fin­den, und jenen, die z. B. für EU­RO­POL gel­ten. Dar­über hin­aus wur­den die Re­ge­lun­gen eu­ro­pa­weit noch nicht har­mo­ni­siert. Die Re­ge­lun­gen, die für das SIRENE-​Büro gel­ten, sind in den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten jedes Mit­glied­staa­tes ent­hal­ten; sie sind nicht har­mo­ni­siert wor­den. Dies kann zu Dis­kre­pan­zen füh­ren, und es kann durch­aus eine Si­tua­ti­on ent­ste­hen, in der Daten in einem emp­fan­gen­den Mit­glied­staat län­ge­re Zeit auf­be­wahrt wer­den, als sie in dem die Daten be­reit­stel­len­den Mit­glied­staat auf­be­wahrt wor­den wären. Um diese Kom­pli­ka­tio­nen zu ver­mei­den und im In­ter­es­se der Klar­heit soll­ten die Da­ten­schutz­re­ge­lun­gen, die für den Da­ten­schutz gemäß die­sem Be­schluss gel­ten, im Text des Be­schlus­ses selbst auch ent­hal­ten sein. So wie diese Re­ge­lun­gen Fra­gen der Auf­be­wah­rung, der Da­ten­qua­li­tät, Si­cher­heit und Kon­trol­le be­han­deln soll­ten, soll­ten diese auch deut­lich ma­chen, wer für die wei­te­re Ver­ar­bei­tung der gemäß die­sem Be­schluss aus­ge­tausch­ten Daten ver­ant­wort­lich ist. Ein be­son­de­res Paket von Da­ten­schutz­re­geln ist in der Stel­lung­nah­me zur Straf­ver­fol­gung und zum In­for­ma­ti­ons­aus­tausch in der EU ent­hal­ten, der von der Kon­fe­renz in Kra­kau ver­ab­schie­det wurde.

Schluss­fol­ge­rung
Um alle er­for­der­li­chen Si­cher­heits­vor­keh­run­gen zu bie­ten, die für ein an­ge­mes­se­nes Ni­veau im Da­ten­schutz in Ein­klang mit dem be­stehen­den recht­li­chen Rah­men sor­gen, emp­fiehlt die Kon­fe­renz, dass der Rah­men­be­schluss unter Be­rück­sich­ti­gung der in die­ser Stel­lung­nah­me ent­hal­te­nen Be­mer­kun­gen ge­än­dert wer­den soll­te.