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Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt
Dr. Harald von Bose

Pressemitteilung
vom 20. Juni 2007

VIII. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz

Den Rechtsstaat stärkt man nicht dadurch, dass man seine Wurzeln beschädigt

Gemäß dem Auftrag aus Landesverfassung und Landesdatenschutzgesetz habe ich dem Landtag den Tätigkeitsbericht für den Zeitraum vom 1. April 2005 bis 31. März 2007 überreicht. Der Tätigkeitsbericht liegt als Landtagsdrucksache 5/715 vor und kann auch telefonisch oder schriftlich bestellt werden oder über die Homepage des Landesbeauftragten (www.datenschutz.sachsen-anhalt.de) bezogen werden. Der bislang umfangreichste Bericht fasst die in den beiden letzten Jahren geleistete Beratungs- und Kontrollarbeit des Landesbeauftragten und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seiner Geschäftsstelle zusammen. Er dient zugleich der Öffentlichkeitsarbeit und ist wiederum auch mittels vieler anschaulicher Einzelbeispiele, Hinweise und Fundstellen eine Handreichung für Behörden und behördliche Datenschutzbeauftragte. In einem Anlagenteil sind Entschließungen der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder und darüber hinaus der Europäischen und Internationalen Datenschutzkonferenz aufgenommen. Im Jahre 2006 hatte der Landesbeauftragte Sachsen-Anhalts erstmals den Vorsitz in der deutschen Datenschutzkonferenz inne. Der Bericht greift aktuelle wichtige datenschutzpolitische und datenschutzrechtliche Grundsatzthemen auf (siehe z.B. Ziff. 1.1) und kommentiert kritisch viele Einzelvorhaben. Schwerpunkte (siehe Ziff. 1) betrafen die Bereiche

  • innere Sicherheit (z.B. in 2006 in Bezug auf die Fußball-WM)
  • Sozialwesen (z.B. im Hinblick auf das Arbeitslosengeld II, die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung oder Maßnahmen zum Kindesschutz)
  • eGovernment und Technik (z.B. elektronisches Grundbuch)

Ich gebe an Landtag und Landesregierung neben Hinweisen in den Einzelbeiträgen auch eine Reihe von zusammengefassten Empfehlungen (siehe Ziff. 2.2). Dazu gehört die Forderung, das Polizeigesetz und das Verfassungsschutzgesetz des Landes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzupassen und die Befugnisse der Behörden rechtsstaatlich einzugrenzen (siehe Ziff. 17.1, 17.2, 24.3). Das GIAZ betrachte ich im Hinblick auf das Trennungsgebot weiterhin skeptisch (Ziff. 24.2). Das von der Kultusministerkonferenz geplante nationale Schülerdatenregister lehne ich ab (Ziff. 19.1).

Auch erwarte ich meine frühzeitige Einbeziehung in eGovernment-Vorhaben der Landesbehörden (vgl. Ziff. 1.3, 4.2), um entsprechend beraten zu können. Außerdem sollten die Ressorts die Auskunftsverpflichtung gegenüber dem unabhängigen Datenschutzbeauftragten gemäß dem Datenschutzgesetz ernst nehmen und zügig und vollständig informieren, in der Vergangenheit gab es hier im Bereich der Ministerien des Innern (vgl. Ziff. 2.3 ) und der Justiz (vgl. Ziff. 22.1) Behinderungen. Mir liegt an konstruktiver Zusammenarbeit trotz in der Sache unterschiedlicher Positionen.

Die insgesamt zunehmenden Datensammlungen von Staat und Wirtschaft und Grundrechtseingriffe in das Freiheitsrecht auf informationelle Selbstbestimmung sehe ich mit großer Sorge. Es gibt kaum noch ein Innehalten und Maßhalten mehr. Die technische Entwicklung (z.B. Einsatz von RFID-Chips) erlaubt fast alles. Trends zur Überwachungsgesellschaft durch umfassende Registrierung, Erfassung, Beobachtung, Bewertung und Kontrolle sind unverkennbar. Das Wertefundament unserer rechtsstaatlichen und demokratischen Ordnung kann dadurch auf Dauer Schaden nehmen. Der "gläserne Mensch" steht für Fremdbestimmung. Datenschutz ist stets Maßstab der Freiheitlichkeit des Gemeinwesens.

Im Verhältnis des Staates zum Bürger wird die öffentliche Debatte stark durch die Terrorabwehr geprägt (vgl. Ziff. 1.1). Vorratsdatenspeicherung bei Telefongesprächen und Internetnutzung, heimliche Online-Durchsuchungen privater Computer, biometrische Daten in Ausweisdokumenten, Antiterrordateien und Mautdatenfremdnutzung sind markante Maßnahmen bzw. Vorschläge; diese und weitere kommentiert der Bericht. Unser Gemeinwesen benötigt ein Vertrauensfundament, das nicht allein auf den Schutz der Bürger und deren Sicherheit abhebt. Die Mahnungen des Bundesverfassungsgerichts sind eigentlich unüberhörbar, ich komme mir mit meinen Datenschützerkollegen und -kolleginnen bisweilen wie ein einsamer Wächter vor. Der Schutz durch den Staat darf nicht den Schutz vor dem Staat erdrücken. Nicht alles, was möglich ist, ist auch zulässig. Die allermeisten Bürger sind unverdächtig und unbescholten, eine präventive Erfassung ist unverhältnismäßig. Es besteht ein Anspruch darauf, die Privatsphäre verbergen zu dürfen.

In der alltäglichen Beratungstätigkeit gegenüber den Behörden gab es immer wieder Erfolge für den Datenschutz, gleichwohl ist das Niveau des Selbstdatenschutzes der Behörden steigerungsfähig. Datensparsamkeit ist ein Grundgebot beim Entwerfen neuer rechtlicher Regelungen; Datenschutz und Datensicherheit sind bereits bei der Planung technischer Datenverarbeitungssysteme zu beachten.

Von den im Bericht exemplarisch dargestellten Einzelfällen sind wegen besonderer datenschutz-rechtlicher Verstöße hervorzuheben:

  • Ein Gerichtsvollzieher ließ ein Fernsehteam ohne Einverständnis des Schuldners in dessen Wohnung filmen (Ziff. 18.1).
  • Eine Kommune stellte in ihr Ratsinformationssystem Angaben zu einem Disziplinarverfahren gegen einen Bediensteten ein, die so nicht nur den Stadträten, sondern auch allen Amts- und Betriebsleitern bekannt wurden. Die Maßnahme wurde förmlich beanstandet (Ziff. 14.1).
  • Eine Landesbehörde sonderte veraltete Computer aus, vernachlässigte aber das gründliche Löschen der Festplatten. Ein Erwerber eines Computers erhielt auf diese Weise gleich eine Fülle personenbezogener Daten mitgeliefert (Ziff. 12.2).

In den Medien wurde in den vergangenen Jahren über Vorfälle in Sachsen-Anhalt mit besonderer auch datenschutzrechtlicher Brisanz berichtet. Selbstverständlich enthält der Bericht auch dazu Anmerkungen, nämlich zu

  • den Gesprächsaufzeichnungen bei der Polizei, hier steht seit vielen Monaten ein Anwendungserlass des Ministeriums des Innern aus, siehe Ziff. 17.3
  • den Ermittlungen im Verfahren "MIKADO" der Staatsanwaltschaft Halle gegen Nutzer kinderpornographischer Internetseiten, siehe Ziff. 18.11

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Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt
Dr. Harald von Bose

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