Entschließung der 48. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 26./27. September 1994 in Brandenburg
Fehlende bereichsspezifische gesetzliche Regelungen bei der Justiz
Obwohl seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts mehr als 10 Jahre vergangen sind, werden im Bereich der Justiz sensible personenbezogene Daten nach wie vor ohne die vom Bundesverfassungsgericht geforderten bereichsspezifischen gesetzlichen Grundlagen erhoben und verarbeitet. Stattdessen sind in den letzten Jahren in zunehmendem Maße automatisierte Verfahren neu eingesetzt worden. Die Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stützen die Justizverwaltungen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sog. Übergangsbonus.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder weisen im Hinblick auf die kommende Legislaturperiode den Bundesgesetzgeber erneut darauf hin, daß gesetzliche Regelungen im Bereich der Justiz überfällig sind. Dabei ist nicht die jeweils geübte Praxis zu legalisieren, sondern es muß vorab unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten geprüft werden, welche Form der Datenerhebung und -verarbeitung in welchem Umfang erforderlich ist. Der zur Zeit dem Bundesrat vorliegende Entwurf eines Strafverfahrensänderungsgesetzes beispielsweise wird datenschutzrechtlichen Anforderungen in keiner Weise gerecht.
Im Bereich der Justiz fehlen ausreichende gesetzliche Regelungen für die
Datenverarbeitung im Strafverfahren, insbesondere in automatisierten Dateien,
Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Strafvollzug,
Übermittlung von Daten aus den bei Gerichten geführten Registern (z.B. Grundbuch) und deren Nutzung durch die Empfänger,
Datenübermittlung von Amts wegen durch Gerichte und Staatsanwaltschaften an Gerichte, Behörden und sonstige öffentliche Stellen (Justizmitteilungsgesetz)
Aufbewahrung von Akten, Karteien und sonstigen Unterlagen sowie die Dauer der Speicherung in automatisierten Dateien.
Eine Berufung auf den sog. Übergangsbonus auf unbegrenzte Zeit steht nicht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Datenschutzbeauftragten halten es deshalb zum Schutz des Rechts des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung für geboten, wegen der mit der Datenerhebung, Verarbeitung und Nutzung verbundenen Rechtseingriffe in der neuen Legislaturperiode unverzüglich bereichsspezifische Regelungen der materiellen Voraussetzungen sowie der organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorkehrungen zu schaffen, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Bürgers entgegenwirken.