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Ent­schlie­ßung der 61. Kon­fe­renz der Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten des Bun­des und der Län­der vom 08./09. März 2001 in Düs­sel­dorf

No­vel­lie­rung des G 10-​Gesetzes

Die Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten des Bun­des und der Län­der sehen mit gro­ßer Sorge, dass die Emp­feh­lun­gen des Rechts-​ und des In­nen­aus­schus­ses des Bun­des­ra­tes er­heb­li­che Ein­schrän­kun­gen der Per­sön­lich­keits­rech­te der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger zur Folge hät­ten, die über den Ge­setz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung teil­wei­se weit hin­aus­ge­hen. Die Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten wen­den sich ins­be­son­de­re ent­schie­den da­ge­gen, dass

  • die Be­fug­nis­se der Nach­rich­ten­diens­te zur Über­mitt­lung und Ver­wen­dung von G 10-​Daten an Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den ge­gen­über dem Ge­setz­ent­wurf noch deut­lich er­wei­tert wer­den sol­len, indem Er­kennt­nis­se der Nach­rich­ten­diens­te u.a. zur Straf­ver­fol­gung weit über die Schwer­kri­mi­na­li­tät hin­aus ge­nutzt wer­den dürf­ten,
  • der Ver­zicht auf die Kenn­zeich­nung von G 10-​Daten sogar ohne vor­he­ri­ge Zu­stim­mung der G 10-​Kommission zu­läs­sig sein und
  • die Schwel­le dafür, end­gül­tig von der Be­nach­rich­ti­gung Be­trof­fe­ner ab­zu­se­hen, deut­lich her­ab­ge­setzt wer­den soll.

Dar­über hin­aus kri­ti­sie­ren die Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten des Bun­des und der Län­der, dass die Bun­des­re­gie­rung mit der Ge­set­zes­no­vel­le über die Vor­ga­ben des BVerfG hin­aus wei­te­re Än­de­run­gen im G 10-​Bereich er­rei­chen will, die neue grund­recht­li­che Be­schrän­kun­gen vor­se­hen:

  • Die An­for­de­run­gen an die halb­jähr­li­chen Be­rich­te des zu­stän­di­gen Bun­des­mi­nis­ters an die PKG müs­sen so ge­fasst wer­den, dass eine wirk­sa­me par­la­men­ta­ri­sche Kon­trol­le er­reicht wird. Dies ist der­zeit nicht ge­währ­leis­tet. Des­halb muss über An­lass, Um­fang, Dauer, Er­geb­nis und Kos­ten aller Maß­nah­men nach dem G 10-​Gesetz sowie über die Be­nach­rich­ti­gung der Be­tei­lig­ten be­rich­tet wer­den. Die glei­chen An­for­de­run­gen müs­sen auch für die Be­rich­te der PKG an den Bun­des­tag gel­ten.
  • Die Neu­re­ge­lung, nach der auch au­ßer­halb der Staats­schutz­de­lik­te mut­maß­li­che Ein­zel­tä­ter und lose Grup­pie­run­gen den Maß­nah­men nach dem G 10-​Gesetz un­ter­lie­gen sol­len, stellt das Tren­nungs­ge­bot nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG wei­ter in­fra­ge. Er­mitt­lun­gen von der Ein­griffs­schwel­le eines kon­kre­ten An­fangs­ver­dachts zu lösen und nach nach­rich­ten­dienst­li­cher Art schon im Vor­feld zur Ver­dachts­ge­win­nung durch­zu­füh­ren, wei­tet die Ge­fahr un­ver­hält­nis­mä­ßig aus, dass auch gegen Un­be­schol­te­ne straf­recht­lich er­mit­telt wird.
  • Alle Neu­re­ge­lun­gen wie z.B. zum Par­tei­en­ver­bots­ver­fah­ren, zur Ver­wen­dung von G 10-​Erkenntnissen bei Ge­fah­ren für Leib oder Leben einer Per­son im Aus­land und zu Spon­tan­über­mitt­lun­gen an den BND müs­sen be­fris­tet und einer ef­fi­zi­en­ten Er­folgs­kon­trol­le un­ter­zo­gen wor­den.
  • Bei der in­ter­nen Da­ten­ver­ar­bei­tung durch die Nach­rich­ten­diens­te ist die Zweck­bin­dung so zu for­mu­lie­ren, dass die er­ho­be­nen Daten nicht zur Er­for­schung und Ver­fol­gung an­de­rer als der in § 3 und § 5 G 10-E ge­nann­ten Straf­ta­ten ge­nutzt wer­den dür­fen.
  • Die vor­ge­se­he­nen Aus­nah­men von der vom BVerfG ge­for­der­ten Kenn­zeich­nungs­pflicht bei der Über­mitt­lung von Daten, die aus G 10-​Maßnahmen stam­men, be­geg­nen schwer­wie­gen­den da­ten­schutz­recht­li­chen Be­den­ken.
  • Im Ge­setz­ent­wurf fehlt die Re­ge­lung, dass eine Wei­ter­über­mitt­lung an an­de­re Stel­len und Drit­te nicht zu­läs­sig ist. Sie darf nur durch die er­he­ben­de Stel­le er­fol­gen. Die Wei­ter­ga­be von G 10-​Daten an an­de­re Dienst­stel­len ist bei der über­mit­teln­den Stel­le stets zu do­ku­men­tie­ren und zu kenn­zeich­nen.
  • Eine dau­er­haf­te Aus­nah­me von der Be­nach­rich­ti­gungs­pflicht ist ab­zu­leh­nen. Sie würde für die Be­trof­fe­nen zu einem Aus­schluss des Rechts­we­ges füh­ren.
  • Dem BND wird nicht mehr nur die "stra­te­gi­sche Über­wa­chung" des nicht-​leitungsgebundenen, son­dern künf­tig des ge­sam­ten in­ter­na­tio­na­len Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­kehrs er­mög­licht. Dies setzt den Zu­griff deut­scher Stel­len auf Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­te­me in frem­den Ho­heits­be­rei­chen vor­aus. Dabei muss si­cher­ge­stellt wer­den, dass die An­for­de­run­gen des Völ­ker­rechts ein­ge­hal­ten wer­den.
  • Die Über­wa­chung in­ter­na­tio­na­ler Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­zie­hun­gen im Falle einer Ge­fahr für Leib oder Leben einer Per­son im Aus­land (§ 8 G 10-E) er­mög­licht sehr in­ten­si­ve Grund­rechts­ein­grif­fe in gro­ßer Zahl und mit einer hohen Dich­te, die höher sein kann als bei "stra­te­gi­schen Über­wa­chung" nach § 5 G 10-E. Dies setzt eine hohe Ein­griffs­schwel­le und enge zeit­li­che Be­fris­tun­gen vor­aus, die der Ent­wurf nicht hin­rei­chend vor­sieht.