Entschließung der 79. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 17./18. März 2010 in Stuttgart
Für eine umfassende wissenschaftliche Evaluierung im Sicherheitsbereich
Die Bundesregierung beabsichtigt, nicht nur die in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Gesetze neu geschaffenen Befugnisse und die bestehenden Sicherheitsdateien, sondern auch die Kooperationszentren, in denen Polizei und Nachrichtendienste zusammenarbeiten, zu evaluieren.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder treten dafür ein, die Evaluierung zeitnah und vorbehaltlos nach wissenschaftlichen Kriterien durchzuführen. Kein Vorbild darf die im Mai 2005 vorgenommene "Evaluierung" des Terrorismusbekämpfungsgesetzes 2002 sein. Diese war eine inhaltlich und methodisch defizitäre Selbsteinschätzung. Dagegen enthalten die in verschiedenen Gesetzen aufgenommenen Evaluationsklauseln sinnvolle Ansätze, die es weiter zu entwickeln gilt. Dies betrifft etwa die Einbeziehung eines wissenschaftlichen Sachverständigen, der im Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag zu bestellen ist.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Ausweitung der Befugnisse von Polizei und Verfassungsschutz, auch in das Vorfeld der Gefahrenabwehr, zur anlasslosen, oftmals massenhaften Erhebung personenbezogener Daten unbescholtener Bürgerinnen und Bürger führen kann.
Aufgrund der Eingriffsintensität der Regelungen ist eine systematische, ergebnisoffene und wissenschaftlich fundierte Überprüfung auf der Grundlage eines umfassenden Bewertungsansatzes erforderlich. Jede Evaluation, auch die landesrechtlicher Vorschriften, muss auf der Grundlage valider, strukturierter Daten unter Mitwirkung aller relevanten Stellen in einem transparenten Verfahren durch ein unabhängiges Expertengremium erfolgen. Die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Evaluierung ist zu gewährleisten. Der Evaluationsbericht muss dem Gesetzgeber eine umfassende Bewertungsgrundlage zur Optimierung bestehender Regelungen zur Verfügung stellen.
Dazu muss insbesondere Folgendes dargelegt und bewertet werden
- die mit der zu evaluierenden Norm intendierten Ziele,
- die tatsächlich erzielten Wirkungen (beabsichtigte und unbeabsichtigte) sowie die Wirkungszusammenhänge,
- die Auswirkungen auf die Grundrechte von Betroffenen und unbeteiligten Dritten (Eingriffsbreite und -tiefe),
- die Gewährleistung eines effektiven Grundrechtsschutzes, insbesondere im Hinblick auf den absolut geschützten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung, sowie die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots,
- die Umsetzung von organisations-, verfahrens- und technikorientierten Schutzvorkehrungen (z.B. von Kennzeichnungspflichten, differenzierten Zugriffsberechtigungen, Verwertungsverboten, Prüf- und Löschungspflichten, Richtervorbehalten, Benachrichtigungspflichten),
- die Leistung, Wirkung sowie der Erfolg und die Effizienz,
- die Stellung der zu evaluierenden Norm im Gesamtrechtsgefüge sowie ihre Wechselwirkung mit anderen Normen.
Die Evaluierung ist kein statischer, sondern ein dynamischer, entwicklungsoffener Prozess, der einer ständigen Optimierung bedarf.