Entschließung der 89. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 18./19. März 2015 in Wiesbaden
Datenschutzgrundverordnung darf keine Mogelpackung werden!
Der Rat der Europäischen Innen- und Justizminister hat sich am 12. und 13. März 2015 erneut mit der Reform des Europäischen Datenschutzrechts befasst und dabei über drei weitere Kapitel der geplanten Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) grundsätzlich geeinigt. Hierzu gehören u. a. die zentralen Vorschriften über die Datenschutzgrundsätze und die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder warnen eindringlich vor einer Aushöhlung des Datenschutzes in Europa durch eine Abkehr von den tragenden grundrechtlich vorgegebenen Datenschutzgrundsätzen. Die vom Rat nunmehr vorgeschlagene Fassung des Kapitels II der DSGVO hebelt zentrale Datenschutzgrundsätze aus:
- Der Rat verabschiedet sich mit seiner Einigung vom Grundsatz der Datensparsamkeit. Damit wird ein tragender Grundsatz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aufgegeben, der die Datenverarbeitung auf das unbedingt notwendige Maß reduziert und einen Anreiz für datenschutzfreundliche Technologien darstellt.
- Nach den Vorstellungen des Rates sollen einerseits personenbezogene Daten ohne jede weitere Rechtsgrundlage zu anderen Zwecken als dem ursprünglichen Erhebungszweck verarbeitet werden dürfen, wenn der neue Zweck mit dem ursprünglichen Zweck noch vereinbar ist. Zweckänderungen sollen andererseits schon dann erlaubt sein, wenn der Datenverarbeiter hieran ein überwiegendes berechtigtes Interesse hat. Durch das Zusammenspiel dieser beiden Möglichkeiten und die ausdrücklich gewünschte Privilegierung der Datenverarbeitung zu Direktmarketingzwecken werden Zweckänderungen in einem derart weiten Umfang zulässig, dass das für den Datenschutz elementare Prinzip der Zweckbindung preisgegeben wird. Dies würde die Entscheidungsfreiheit und die Transparenz für den Einzelnen in problematischer Weise einschränken.
- Ferner wird in den Vorschlägen des Rates das Instrument der Einwilligung entwertet. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass das bloße Unterlassen des Erhebens von Widersprüchen gegenüber der Datenverarbeitung (opt-out) eben nicht mit einer expliziten Willensbekundung (opt-in) gleichzusetzen ist. Der Vorschlag des Rates, „ausdrücklich“ zu streichen und durch den minder klaren Begriff „eindeutig“ zu ersetzen, ermöglicht es gerade den global agierenden Diensteanbietern, durch Verwendung pauschaler Datenschutzbestimmungen weitreichende Datenverarbeitungsbefugnisse ohne eine ausdrückliche Einwilligung des Nutzers für sich zu reklamieren. Mit diesem Vorschlag wird das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Nutzer wesentlich geschwächt.
- Schließlich will der Rat die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Forschungszwecken derart weitgehend privilegieren, dass ein angemessener Ausgleich mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen kaum noch möglich ist.
Mit diesen Vorschlägen fällt der Rat nicht nur hinter die Entwürfe der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments zurück. Er ebnet dadurch den Weg zu einer Verschlechterung des derzeitigen Datenschutzniveaus, obwohl die Verbesserung des Datenschutzes eines der erklärten politischen Ziele der Reform ist.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder appellieren daher an Bund und Länder, den Rat, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission, sich in den im zweiten Halbjahr 2015 anstehenden Trilogverhandlungen für eine Verbesserung des Datenschutzniveaus einzusetzen und eine Aushöhlung zentraler Datenschutzgrundsätze zu verhindern.