Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 10. Mai 2001
Entwurf der Telekommunikations-Überwachungsverordnung
Das Bundesministerium für Wirtschaft hat Ende Januar 2001 den Entwurf für eine Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) vorgelegt, der in Kürze dem Bundeskabinett zugeleitet wird. Der Entwurf basiert auf dem Telekommunikationsgesetz, das den Begriff der Telekommunikation weit fasst. Da er technikneutral formuliert ist, werden von den Überwachungsmaßnahmen nicht nur die Sprachtelefonie und der Telefaxverkehr, sondern auch alle anderen elektronischen Kommunikationsplattformen und damit insbesondere auch das Internet erfasst.
Sobald ein Internet-Provider einen E-Mail-Dienst anbietet, muss er technische Einrichtungen zur Umsetzung der Überwachungsmaßnahmen vorhalten, obwohl die Vermittlung des Zugangs zum Internet als anmelde- und zulassungsfreier Teledienst nicht zu den Telekommunikationsdiensten gehört. Diese Verpflichtung der Internet-Provider macht es technisch möglich, künftig den gesamten Internet-Verkehr, also auch das bloße "Surfen" zu überwachen. Dies ist aber nach deutschem Recht so nicht vorgesehen. Bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass das European Telecommunications Standards Institute (ETSI) gegenwärtig an einem technischen Standard arbeitet, der den Lauschangriff auf IP-Netze (Internet) und die Überwachung des gesamten Internet-Verkehrs europaweit vereinheitlichen soll.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder wenden sich entschieden dagegen, eine technische Infrastruktur zu schaffen, die jederzeit eine umfassende Überwachung des Internet-Verkehrs möglich macht. Eine derartige Überwachung würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Persönlichkeitsschutz darstellen und darüber hinaus den im Teledienstedatenschutzgesetz und im Mediendienstestaatsvertrag normierten Grundsätzen der Datenvermeidung und der Datensparsamkeit zuwiderlaufen.
Es muss sichergestellt werden, dass die zunehmende Nutzung von Telediensten zu Alltagsgeschäften auch künftig generell überwachungsfrei bleibt. Die bestehenden materiellen Befugnisse zur Telekommunikationsüberwachung im Strafprozessrecht, G 10-Gesetz und im Außenwirtschaftsgesetz bedürfen zudem insgesamt dringend einer kritischen Evaluation und Bereinigung, die die Bundesregierung durch eine wissenschaftliche Untersuchung der Effektivität bisheriger Überwachungsanordnungen bereits eingeleitet hat.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordern ebenso eine Evaluation der Telekommunikations-Überwachungsverordnung, die im Lichte der Ergebnisse der Untersuchung über die Effektivität von Telekommunikations-Überwachungsmaßnahmen vorzunehmen ist.