Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder zur Bundesratsinitiative mehrerer Länder zur Ausweitung der DNA-Analyse vom 17. Februar 2005
Keine Gleichsetzung der DNA-Analyse mit dem Fingerabdruck
Die strafprozessuale DNA-Analyse ist - insbesondere in Fällen der Schwerstkriminalität wie bei Tötungsdelikten - ein effektives Fahndungsmittel. Dies hat zu Forderungen nach der Ausweitung ihres Anwendungsbereichs zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren geführt. So sieht ein Gesetzesantrag mehrerer Bundesländer zum Bundesratsplenum vom 18. Februar 2005 die Streichung des Richtervorbehalts und der materiellen Erfordernisse einer Anlasstat von erheblicher Bedeutung sowie der Prognose weiterer schwerer Straftaten vor.
Das zur Begründung derartiger Vorschläge herangezogene Argument, die DNA-Analyse könne mit dem herkömmlichen Fingerabdruck gleichgesetzt werden, trifft jedoch nicht zu:
Zum einen hinterlässt jeder Mensch permanent Spurenmaterial z.B. in Form von Hautschuppen oder Haaren. Dies ist ein Grund für den Erfolg des Fahndungsinstruments "DNA-Analyse", weil sich Täter vor dem Hinterlassen von Spuren nicht so einfach schützen können, wie dies bei Fingerabdrücken möglich ist. Es birgt aber - auch unter Berücksichtigung der gebotenen vorsichtigen Beweiswürdigung - in erhöhtem Maße die Gefahr, dass Unbeteiligte aufgrund zufällig hinterlassener Spuren am Tatort unberechtigten Verdächtigungen ausgesetzt werden oder dass sogar bewusst DNA-Material Dritter am Tatort ausgestreut wird.
Zum anderen lassen sich bereits nach dem derzeitigen Stand der Technik aus den sog. nicht-codierenden Abschnitten der DNA über die Identitätsfeststellung hinaus Zusatzinformationen entnehmen (Verwandtschaftsbeziehungen, wahrscheinliche Zugehörigkeit zu ethnischen Gruppen, aufgrund der räumlichen Nähe einzelner nicht-codierender Abschnitte zu codierenden Abschnitten möglicherweise Hinweise auf bestimmte Krankheiten). Die Feststellung des Geschlechts ist bereits nach geltendem Recht zugelassen. Nicht absehbar ist schließlich, welche zusätzlichen Erkenntnisse aufgrund des zu erwartenden Fortschritts der Analysetechniken zukünftig möglich sein werden.
Mit gutem Grund hat daher das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen aus den Jahren 2000 und 2001 die Verfassungsmäßigkeit der DNA-Analyse zu Zwecken der Strafverfolgung nur im Hinblick auf die derzeitigen Voraussetzungen einer vorangegangenen Straftat von erheblicher Bedeutung, einer Prognose weiterer schwerer Straftaten und einer richterlichen Anordnung bejaht. Es hat besonders gefordert, dass diese Voraussetzungen auch nach den Umständen des Einzelfalls gegeben sein müssen und von der Richterin oder dem Richter genau zu prüfen sind.
Eine Prognose schwerer Straftaten und eine richterliche Anordnung müssen im Hinblick auf diese Rechtsprechung und den schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, den die DNA-Analyse darstellt, auch zukünftig Voraussetzung einer derartigen Maßnahme bleiben.
Die besondere Qualität dieses Grundrechtseingriffs muss auch im übrigen bei allen Überlegungen, die derzeit zu einer möglichen Erweiterung des Anwendungsbereichs der DNA-Analyse angestellt werden, den Maßstab bilden; dies schließt eine Gleichsetzung in der Anwendung dieses besonderen Ermittlungswerkzeugs mit dem klassischen Fingerabdruckverfahren aus.