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Ent­schlie­ßung der Kon­fe­renz der Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten des Bun­des und der Län­der vom 26. No­vem­ber 2004

Staat­li­che Kon­ten­kon­trol­le muss auf den Prüf­stand!

Das "Ge­setz zur För­de­rung der Steu­er­ehr­lich­keit" vom 23.12.2003 (BGBl. I 2003, S. 2928) ent­hält mit den §§ 93 Abs. 7, 8 und 93 b der Ab­ga­ben­ord­nung Re­ge­lun­gen, die das Grund­recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung aller Bür­ge­rin­nen und Bür­ger im Be­reich ihrer fi­nan­zi­el­len und wirt­schaft­li­chen Be­tä­ti­gung in er­heb­li­chem Maße be­schrän­ken. Die neuen Re­ge­lun­gen tre­ten am 1. April 2005 in Kraft. Sie sehen vor, dass nicht nur Fi­nanz­be­hör­den, son­dern auch eine un­be­stimm­te Viel­zahl wei­te­rer Be­hör­den Zu­griff auf Bank­da­ten er­hal­ten.

Die Kon­fe­renz der Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten des Bun­des und der Län­der for­dert, diese Re­ge­lun­gen mit dem Ziel zu über­ar­bei­ten, das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung zu ge­währ­leis­ten. Ins­be­son­de­re das ver­fas­sungs­recht­li­che Gebot der Nor­men­klar­heit und die Trans­pa­renz des Ver­fah­rens müs­sen be­ach­tet wer­den.

Die Neu­re­ge­lung er­laubt einen Zu­griff auf Bank­da­ten, die von den Kre­dit­in­sti­tu­ten be­reits seit April 2003 zur Auf­de­ckung il­le­ga­ler Fi­nanz­trans­ak­tio­nen vor allem zur Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung nach § 24 c des Kre­dit­we­sen­ge­set­zes vor­ge­hal­ten wer­den müs­sen. Dabei han­delt es sich um die Kon­ten­stamm­da­ten der Bank­kun­din­nen und Bank­kun­den und sons­ti­gen Ver­fü­gungs­be­rech­tig­ten, wie z.B. Name, Ge­burts­da­tum, Kon­to­num­mern. Mit der neuen Re­ge­lung ein­her geht be­reits eine von den Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten des Bun­des und der Län­der im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren Ende 2003 kri­ti­sier­te Zweck­än­de­rung der Ver­wen­dung der von den Kre­dit­in­sti­tu­ten vor­zu­hal­ten­den Daten.
Nun­mehr sol­len neben Fi­nanz­be­hör­den auch an­de­re Be­hör­den, z.B. die zahl­rei­chen Stel­len der So­zi­al­leis­tungs­trä­ger, Aus­kunft er­hal­ten, wenn die an­fra­gen­de Be­hör­de ein Ge­setz an­wen­det, das "an Be­grif­fe des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes" an­knüpft und ei­ge­ne Er­mitt­lun­gen die­ser Be­hör­de ihrer Ver­si­che­rung nach nicht zum Ziel ge­führt haben oder kei­nen Er­folg ver­spre­chen. Wel­che Be­hör­den dies sein sol­len, geht aus dem Ge­setz nicht ein­deu­tig her­vor. Da das Ein­kom­men­steu­er­recht eine Viel­zahl von "Be­grif­fen" ver­wen­det (neben den Be­grif­fen "Ein­kom­men" und "Ein­künf­te" etwa auch "Woh­nung", "Kin­der­geld", "Ar­beit­neh­mer"), ist wegen feh­len­der Be­griffs­be­stim­mun­gen nicht ab­schlie­ßend be­stimm­bar, wel­che Be­hör­den die Aus­kunfts­er­su­chen stel­len dür­fen. Dies je­doch ist nach dem ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­stimmt­heits­ge­bot un­ver­zicht­bar. Zudem wird nicht deut­lich, wel­che Zwe­cke ein Aus­kunfts­er­su­chen recht­fer­ti­gen und nach wel­chen Re­geln sie er­fol­gen sol­len.

Von der Tat­sa­che des Da­ten­ab­rufs er­fah­ren Kre­dit­in­sti­tu­te und Be­trof­fe­ne zu­nächst nichts. Die Be­trof­fe­nen er­hal­ten hier­von al­len­falls bei einer Dis­kre­panz zwi­schen ihren An­ga­ben (z.B. an­läss­lich Steu­er­erklä­rung, BAföG-​Antrag) und den Er­geb­nis­sen der Kon­ten­ab­fra­gen Kennt­nis, nicht je­doch bei einer Be­stä­ti­gung ihrer An­ga­ben durch die Kon­ten­ab­fra­gen.
Die Aus­kunft er­streckt sich zwar nicht auf die Kon­to­stän­de; auf Grund der durch den Abruf er­lang­ten Er­kennt­nis­se kön­nen je­doch in einem zwei­ten Schritt wei­te­re Über­prü­fun­gen, dann auch im Hin­blick auf die Gut­ha­ben di­rekt beim Kre­dit­in­sti­tut er­fol­gen.

Dass Be­trof­fe­ne von Ab­fra­gen, die zu kei­ner wei­te­ren Über­prü­fung füh­ren, nichts er­fah­ren, wi­der­spricht dem ver­fas­sungs­recht­li­chen Trans­pa­renz­ge­bot. Da­nach sind sie von der Spei­che­rung und über die Iden­ti­tät der ver­ant­wort­li­chen Stel­le sowie über die Zweck­be­stim­mun­gen der Er­he­bung, Ver­ar­bei­tung oder Nut­zung zu un­ter­rich­ten. Ge­schieht dies nicht, hat das zur Kon­se­quenz, dass die Rechts­schutz­ga­ran­tie des Art. 19 Abs. 4 Grund­ge­setz ver­letzt wird. Die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger haben einen sub­stan­ti­el­len An­spruch auf eine tat­säch­lich wirk­sa­me ge­richt­li­che Kon­trol­le (s. Volks­zäh­lungs­ur­teil, BVerf­GE 65, 1, 70).