Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt
Dr. Harald von Bose
Pressemitteilung
vom 20. Mai 2008
Ausstellung in der Gedenkstätte "Roter Ochse" ist datenschutzrechtlich akzeptabel
Die Dauerausstellungen Politische Justiz | 1933-1945 | 1945-1989 in der Gedenkstätte "Roter Ochse" in Halle/S. finden seit einigen Wochen besondere Beachtung in der Öffentlichkeit. Einige ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des MfS, die in der Ausstellung namentlich und auch mit Bild aufgeführt sind, haben den Landesbeauftragten um datenschutzrechtliche Prüfung gebeten.
Hierzu liegen Stellungnahmen der Gedenkstätte "Roter Ochse" sowie die Stellungnahme der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt vor. Bei einem Besuch in der Gedenkstätte "Roter Ochse" vor Ort habe ich mir einen persönlichen Eindruck verschafft, Einsicht in vorhandene Unterlagen genommen und ein Gespräch mit dem Direktor der Gedenkstättenstiftung und dem Leiter der Gedenkstätte geführt und nun mit einer ausführlichen Darstellung zur Sach- und Rechtslage die Petenten unterrichtet:
Die Ausstellung von ausgewählten personenbezogenen Informationen zu hauptamtlichen Mitarbeitern der Untersuchungsabteilung IX des MfS in der Gedenkstätte "Roter Ochse" ist aus datenschutzrechtlicher Sicht vertretbar und nicht unzulässig.
Die Bewertung durch den Landesbeauftragten ist durch den gesetzlichen Rahmen auf eine rein datenschutzrechtliche Betrachtung begrenzt. Aspekte der historischen Aufarbeitung, der politischen Bildung oder der Didaktik sind daher nur in diesem Zusammenhang einbezogen.
Die Veröffentlichung personenbezogener Daten stellt zwar grundsätzlich einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und damit das Persönlichkeitsrecht dar.
Als Rechtsgrundlage der Verwendung der personenbezogenen Daten greift jedoch die Regelung des § 32 Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (StUG). Diese Auffassung wird vom Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik und von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) geteilt.
Danach dürfen Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes für Zwecke der politischen und historischen Aufarbeitung und für Zwecke der politischen Bildung (§ 32 Abs. 1 StUG) von der BStU zur Verfügung gestellt und nach § 32 Abs. 3 StUG veröffentlicht werden, soweit es sich um Mitarbeiter - auch inoffizielle - des Staatssicherheitsdienstes handelt. Nach der gesetzlichen Vorgabe ist es daher zunächst nicht erforderlich, sich bei der Verwendung auf Informationen zu hochrangigem Führungspersonal zu beschränken. Die Ausstellung beschränkt sich allerdings auf einige ehemals hauptamtlich Tätige, die in den 50er bis 80er Jahren als Vernehmer tätig waren.
Nach § 32 Abs. 3 S. 2 StUG dürfen durch die Veröffentlichung aber keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der genannten Personen beeinträchtigt werden. Dafür liegen in den geprüften Fällen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung haben die verantwortlichen Stellen die grundrechtliche Position der Petenten nicht verkannt.
Zwar kann das Bekanntwerden der Tätigkeit in der Untersuchungsabteilung IX einen gewissen Einfluss auf Ansehen und Wertschätzung in der Öffentlichkeit haben. Zudem wird im erläuternden Begleittext allgemein auf Unrecht hingewiesen, das von der Dienststelle ausging.
An der möglichst präzisen Darstellung der Vergangenheit besteht aber ein öffentliches Interesse von erheblichem Gewicht. Dies gibt zudem § 2 Abs. 1 des Gedenkstättenstiftungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vor. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Bedeutung der Aufarbeitung der Tätigkeit des MfS besonders betont (BVerfG Beschluss vom 23. Februar 2000, 1 BvR 1582/94). Erst die Benennung und die Möglichkeit bildlicher Vorstellung gibt nachhaltigen Einblick in die Einbindung Einzelner in die Funktionen und verliert sich nicht in der Abstraktheit bloßer Zahlen. Sie ermöglichen, das Ziel der politischen Bildung zu verdeutlichen, dass die Herrschaftsausübung und das Funktionieren eines Verfolgungs- und Repressionsapparates erst durch Individuen gewährleistet werden.
Dem erheblichen öffentlichen Aufklärungsinteresse kommt die Ausstellung unter Verwendung nur weniger und verhältnismäßig wenig beeinträchtigender Informationen in einer die Persönlichkeitsinteressen der Mitarbeiter schonenden Weise nach.
Schon die BStU hatte, bevor sie die Informationen zur Verfügung gestellt hat, selbst nach § 32 Abs. 1 StUG zu prüfen, ob überwiegende schutzwürdige Interessen beeinträchtigt würden.
Zudem sind nicht alle Daten veröffentlicht, die von der BStU nach § 32 Abs. 1 StUG zur Verfügung gestellt wurden.
Die Ausstellung verwendet nur dienstliche Tatsachen des beruflichen Werdegangs, Daten der Privat- oder Intimsphäre sind dagegen nicht betroffen.
Steckbriefartige Diffamierungen konnten nicht festgestellt werden. Auch bestehen keine expliziten Verweise zu Opferfällen, die eine stärkere Emotionalisierung bewirken könnten. Die abstrakte Tätigkeit für die Untersuchungsabteilung ist nicht strafrechtsrelevant, konkrete, individualisierte Vorwürfe werden insoweit nicht erhoben. Ausgrenzungen oder Stigmatisierungen sind nicht erkennbar. Der Gefahr einer Gleichsetzung mit nationalsozialistischem Unrecht begegnet die räumliche Trennung und die sachliche, unterschiedliche Darstellung. Damit ist dem Gebot Rechnung getragen, nicht nur inhaltlich, sondern auch der Form nach Verletzungen des Persönlichkeitsrechts zu vermeiden.
"Mangels einer diffamierenden Darstellung und einer besonderen sozialen Ausgrenzung liegen die Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts somit im hinzunehmenden Rahmen. Eine datenschutzrechtlich unzulässige Veröffentlichung durch die Gedenkstätte "Roter Ochse" und die Gedenkstättenstiftung Sachsen-Anhalt vermag ich daher nicht festzustellen."
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Dr. Harald von Bose
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