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Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt
Dr. Harald von Bose

Pressemitteilung
vom 2. Februar 2011

Rechtswidrige Datenarchivierung bei der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost im Zusammenhang mit der "Dessauer Staatsschutzaffäre"

Wie Presseberichten bereits zu entnehmen war, hat der 10. Parlamentarische Untersuchungsausschuss seine Untersuchungen zu verschiedenen Aspekten der Arbeit der Polizei des Landes Sachsen-Anhalt abgeschlossen. Seinen Abschlussbericht hat der Untersuchungsausschuss dem Landtag von Sachsen-Anhalt vorgelegt, der am 3. Februar 2011 den Bericht beraten wird (siehe LT-Drucksache 5/3088).

Die Untersuchungen des Ausschusses betrafen auch die sogenannte Dessauer Staatsschutzaffäre. In diesem Zusammenhang stand der Vorwurf von drei Staatsschützern der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost im Raum, von einem Vorgesetzten um die Reduzierung ihres dienstlichen Engagements gegen rechtsextremistische Aktivitäten gebeten worden zu sein.

Der Landesbeauftragte befasste sich aufgrund einer Eingabe mit einem Teilaspekt der "Dessauer Staatsschutzaffäre". Einer der drei betroffenen Staatsschützer hat sich mit der Bitte an ihn gewandt, eine anscheinend daraufhin erfolgte Archivierung von Datensicherungsbändern auf deren datenschutzrechtliche Zulässigkeit hin zu überprüfen.

Mit sehr viel zeitlichem Aufwand hat der Landesbeauftragte die Vorgänge aus dem Jahr 2007 durch das Führen verschiedener Gespräche, das Sichten diverser Unterlagen und die Einsicht in eines der archivierten Magnetbänder rekonstruiert und zwischenzeitlich in einem Prüfbericht vom 18. Januar 2011 bewertet. Im Ergebnis musste der Landesbeauftragte Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften feststellen, die im Kern auf eine rechtsirrige Auslegung von Vorschriften des Gesetzes zum Schutz der personenbezogenen Daten der Bürger (DSG-LSA) zurückgehen; die Feststellungen bestätigten die vorläufige Stellungnahme des Landesbeauftragten als Sachverständiger vor dem Untersuchungsausschuss.

Zum Sachverhalt ist zunächst festzuhalten, dass entgegen bisherigen Darstellungen keine gesonderte Sicherung von Daten auf den Servern der Polizeidirektion stattfand. Es wurden allerdings die zur regulären, und datenschutzrechtlich nicht zu beanstandenden, Datensicherung gefertigten Sicherungsbänder (sog. Backup) auf Weisung in einem verschlossenen Panzerschrank über Jahre aufbewahrt, um sie ggf. für die Aufklärung von Fragen im Zusammenhang mit der "Dessauer Staatsschutzaffäre" zu verwenden. Eine solche Aufbewahrung ist ein Speichern i. S. d. DSG-LSA, zu einer Verwendung der Daten kam es jedoch nie. Auf den Datensicherungsbändern wurden auch keine E-Mail-Verbindungsdaten gesichert. Der separate E-Mail-Server ist in die reguläre Datensicherung nicht einbezogen.

Trotzdem bleiben als datenschutzrechtliche Verstöße festzustellen:

  1. Der Zweck der Datenarchivierung war von den Vorschriften nicht gedeckt.

    Daten der Datensicherung (Backup) unterliegen nach § 10 Abs. 4 DSG-LSA einem besonderen Schutz. Grundsätzlich dürfen Daten der Datensicherung nicht für andere Zwecke verwandt werden. Ausnahmen sind nur in einem äußerst begrenzten Umfang zulässig. Die Daten der Datensicherung sind noch enger an die Verwendung für ihren Ursprungszweck gebunden, als es schon grundsätzlich bei personenbezogenen Daten der Fall ist.

    Die Polizeidirektion ist rechtsirrig davon ausgegangen, dass die Verwendung der Daten für sonstige Aufsichts- und Kontrollbefugnisse keine Änderung des Verwendungszweckes darstellt. Dem ist aus datenschutzrechtlicher Sicht jedoch nicht zu folgen.

  2. Die Dauer der Aufbewahrung der Datensicherungsbänder ist rechtswidrig.

    Die Archivierung der Datensicherungsbänder erfolgte im Mai 2007. Die gespeicherten Daten hätten bereits aufgrund der Unzulässigkeit ihrer Speicherung gelöscht werden müssen. Dieser Löschverpflichtung ist die Polizeidirektion jedoch nicht nachgekommen, weil sie eine eventuelle Verwendung der Daten für disziplinarische Ermittlungen im Zusammenhang mit der "Dessauer Staatsschutzaffäre" nicht ausschließen wollte.

    Für den Zeitraum ab Juni 2010 bis zum Abschluss der Prüfung durch den Landesbeauftragten muss die Aufbewahrung der Daten allerdings als zulässig gelten, weil der Landesbeauftragte sie für seine Prüfung benötigte.

  3. Der Umfang der Datenarchivierung ist datenschutzrechtlich nicht zu vertreten.

    Nach den Erkenntnissen des Landesbeauftragten wurden insgesamt Daten von 243 Bediensteten der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost am Standort Kühnauer Straße 161 durch die Datenarchivierung erfasst. Die Auffassung der Polizeidirektion, dass den Bediensteten durch die heimliche Archivierung kein Nachteil entstanden sei, ist nicht grundrechtskonform. Jede Datenerhebung und Datenverarbeitung personenbezogener Daten ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes grundrechtsrelevant. Unverhältnismäßig ist insoweit die Streubreite der Datenarchivierung, weil gegen die nicht von der "Dessauer Staatsschutzaffäre" betroffenen 240 Bediensteten zu keinem Zeitpunkt Verdachtsmomente bestanden.

Der Landesbeauftragte hat die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost, das Ministerium des Innern und den 10. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die Ergebnisse seiner Prüfung unterrichtet. Die Polizeidirektion wurde darüber hinaus aufgefordert, die Datensicherungsbänder zu vernichten und die erfolgte Vernichtung dem Landesbeauftragten zu bestätigen.

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Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt
Dr. Harald von Bose

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