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Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt
Dr. Harald von Bose

Pressemitteilung
vom 9. Oktober 2008

Prüfung des Suchlaufs auf den Zentralablagen des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt

I.

Die Vorgänge im Zusammenhang mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Bereich des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt (MLU) waren dem Landesbeauftragten seit Juli 2007 bekannt. Anlass waren anonyme Schreiben an verschiedene Einrichtungen, die der Leitung des Ministeriums unsachliche und rechtswidrige dienstliche Entscheidungen vorwarfen. Als Verfasser der Schreiben waren "Mitarbeiter des Ministeriums" und "Mitarbeiter des Personalreferates" aufgeführt. Anfang November 2007 bat das MLU den Landesbeauftragten um datenschutzrechtliche Überprüfung des Suchlaufs auf den Zentralablagen des MLU.  Auch in der Aktuellen Debatte im Landtag von Sachsen-Anhalt vom 15. November 2007 wurden die Datenübermittlungen des MLU an die Staatsanwaltschaft, der strafprozessuale Zugriff auf PC von Mitarbeitern des Ressort des MLU sowie der Suchlauf diskutiert.

Im Rahmen der umfänglichen Recherchen wurden mehrere Gespräche im MLU geführt, um den Sachverhalt aufzuklären. Vielfältige Unterlagen, auch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten, wurden beigezogen. Dies nahm wegen der Verwendung in Gerichtsverfahren erhebliche Zeit in Anspruch.

Die Vorgänge zu den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sind abgeschlossen. Nicht zum Verfahren gehörende Unterlagen, insbesondere solche aus Personalakten, wurden durch das MLU nicht überlassen. Insoweit war keine weitergehende datenschutzrechtliche Betrachtung geboten. Aspekte der Datensicherheit beim Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik bei der Personalverwaltung und insbesondere im Bereich der Personalvertretung bedürfen noch einer eingehenden allgemeinen Erörterung. Hierzu sind Gespräche mit dem MLU und den Personalvertretungen vorgesehen.

Das MLU hat einen ausführlichen Prüfbericht zum Suchlauf erhalten, der Örtliche Personalrat und der Hauptpersonalrat wurden in gleicher Weise informiert. Der Landtag wird über das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen unterrichtet.

II.

Im Hinblick auf den Suchlauf ergibt sich zusammengefasst Folgendes:
In der Zeit vom 06. bis 11. Dezember 2006 fand ein elektronischer Suchlauf auf dem Server des MLU statt. Durchsucht wurden die Zentralablagen des Servers (Abteilungs- und Referatsablage sowie die Nutzerablage). Passwortgeschützte Dateien, lokale Laufwerke (C) und der E-Mail-Server wurden nicht durchsucht.  Es waren auch Speicherungen auf den Personalratsablagen betroffen. Die mit Standardsoftware durchgeführte Suche nach Dateinamen, nicht nach Dateiinhalten, richtete sich auf das Auffinden von zwei Stichworten aus den anonymen Schreiben ("Rechtsordnungsorgane", "Dr. Aikens"). Es wurde kein Treffer erzielt.

III.

Im Hinblick auf das Ergebnis des Suchlaufs war objektiv betrachtet zunächst kein Datenschutzverstoß feststellbar. Der Suchlauf hätte im Trefferfall  aber zu personenbezogenen Daten führen können. Trotz Bedenken konnte im Ergebnis davon ausgegangen werden, dass für eine Datenerhebung eine Rechtsgrundlage im Landesdatenschutzgesetz bestanden hätte.

1.
Bedenken hatten sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben.

Maßgeblich für Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist u.a. das Gewicht des Eingriffs (Persönlichkeitsrelevanz) und, ob der Betroffene einen zurechenbaren Anlass für die Maßnahme gegeben hat. Werden Personen, die keinen Anlass gegeben haben, in großer Zahl in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen, kann dies zu Einschüchterungseffekten führen. Die Einbeziehung von Personen, die in keiner Beziehung zum Tatvorwurf stehen, kann zu einer die Eingriffsintensität merklich erhöhenden Streubreite führen. Grundrechtseingreifende Ermittlungen "ins Blaue hinein" lässt die Verfassung nicht zu. Würden staatliche Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts auf reiner Spekulation beruhen, bestünde die Gefahr maßloser Ermittlungen.

Die Kontrolle von Mitarbeitern und ihrem Verhalten unter Nutzung der vom Arbeitgeber bzw. Dienstherrn eingesetzten Informations- und Kommunikationstechnik steht zunehmend in der Diskussion. Maßgeblich ist dabei, dass der Arbeitgeber bzw. Dienstherr bestimmte Daten zur Wahrnehmung der ihm zustehenden Kontrollbefugnisse benötigt und der Persönlichkeitsschutz des Beschäftigten insbesondere in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in einer Abwägung hinreichend berücksichtigt wird.

2.
Erfasst wurden alle Nutzer der Zentralablagen, auf der nach Vorgaben des Ministeriums aus Sicherheitsgründen zu speichern war. Fast alle Bediensteten mit dienstlichen und ggf. auch privaten Speicherungen wurden also einbezogen. Die Reaktion der Personalräte und die nachfolgende öffentliche Diskussion sowie die Debatte im Landtag zeigten, dass vielfach das Gefühl unangemessener Überwachung entstand.

Dagegen war zu berücksichtigen, dass die tatsächliche Beeinträchtigung der Betroffenen letztlich eher gering war. Dies ergab sich aus dem durchgeführten Verfahren und den verwendeten Suchbegriffen.
Der Suchlauf fand automatisiert nur durch die Administratorin statt. Es wären nur Treffer gemeldet worden. Die Suchbegriffe waren sehr spezifisch ausgewählt worden, so dass eine Trefferwahrscheinlichkeit bei Beschäftigten, die keines der anonymen Schreiben auf Ihrer Ablage gespeichert hatten, nicht gegeben war. Gesucht wurde zudem nur nach Dateinamen, obwohl eine zweckorientierte Vorgehensweise eher die Suche nach Dateiinhalten nahe gelegt hätte. Die tatsächliche Beeinträchtigung der Vielzahl der "Unbescholtenen" war daher sehr gering, sie blieben infolge des Vorgehens anonym.

Weiter war zu berücksichtigen, dass auf der Zentralablage dienstliche Korrespondenz zu speichern ist. Die Kenntnisnahme dieser Korrespondenz als Teil der Behördenkommunikation steht der Hausleitung grundsätzlich zu. Zudem wurde der Suchlauf für interne Zwecke der Wahrnehmung von Aufsichts- und Kontrollbefugnissen durchgeführt. Derartige für die öffentliche Verwaltung nötige (Dienst-)Aufsichts- und Kontrollrechte sind durch datenschutzrechtliche Zweckbindungen nicht generell eingeschränkt.  

3.
Die Frage der Verhältnismäßigkeit erfordert zugleich eine Abwägung mit den legitimen Interessen des Dienstherrn.  Mitarbeiter waren vor weiteren Anschuldigungen durch anonyme Schreiben zu schützen und es galt, den Verdacht auszuschließen, dass Mitarbeiter des Ministeriums als Verfasser ernsthaft in Betracht kamen. Auch die Verteilung der anonymen Schreiben hatte ein Einschreiten geboten. Die Vorwürfe kursierten in der Justiz, der Regierung sowie in weiteren unbestimmten Kreisen. Rufschädigungen war entgegen zu treten.
Problematische Nutzungen dienstlicher Kommunikationstechnik zur Mitarbeiterüberwachung wären i.d.R. erst bei Maßnahmen gegeben, die aufgrund ihres Umfangs (Vollkontrolle) mit dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Beschäftigten nicht mehr vereinbar sind. Eine persönlichkeitsrelevante Intensität der Betroffenheit lag angesichts des Vorgehens nicht vor.

4.
Die Verhältnismäßigkeit stand noch deshalb in Frage, weil das Ministerium beabsichtigt hatte, den Personalrat erst im Fall eines Treffers zu beteiligen. Die Dienstvereinbarung im Ministerium zum Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik sah vor, dass keine Leistungs-/Verhaltenskontrollen der Beschäftigten erfolgen und Ausnahmen der Zustimmung des Personalrats bedürfen. Dienstvereinbarungen schaffen grundsätzlich personalvertretungsrechtlich eine verbindliche Grundlage. Ein klares Verbot der Durchführung eines solchen Suchlaufs ohne vorherige Zustimmung des ÖPR ließ sich der Dienstvereinbarung jedoch nicht entnehmen.
Insoweit hat der Landesbeauftragte angeregt, in Gesprächen zwischen Dienststelle und Personalvertretung für die Zukunft eine Klärung herbeizuführen.

Die Verhältnismäßigkeit des Suchlaufs war auch insoweit zu würdigen, als Daten betroffen waren, die der Verschwiegenheit der Personalvertretung unterliegen. Die Verschwiegenheit der Personalvertretung dient aber vornehmlich dem Schutz der persönlichen Daten derer, die sich an die Personalvertretung wenden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Daten erfasst würden, war jedoch infolge der Suche nach Dateinamen  mit spezifischen Begriffen äußerst gering. Eine datenschutzrechtliche Relevanz bestand im Ergebnis jedenfalls nicht.

5.
Bedenkliche Kontrollmaßnahmen auf dem Niveau der Verletzung des Persönlichkeitsrechts lagen letztlich nicht vor.
Der komplexe Sachverhalt, die besonderen Umstände des Einzelfalls und die vorgenommenen Erwägungen verdeutlichen, dass eine Verallgemeinerung nicht möglich ist. Ein Schluss auf eine grundsätzlich datenschutzrechtliche Zulässigkeit von Datensuchläufen verbietet sich daher.

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